Früher war die Sandgasse eine der wichtigsten Straßen der Stadt, denn sie führte aus der Stadt hinaus in den Spessart oder weiter in Richtung Würzburg. Weil hier viel Handelsvolk unterwegs war, waren hier mehrere Hotels und Gaststätten zu finden. Eine davon war das Weinhaus Dörmühl, eine Institution in der Stadt.
1720 soll das Gebäude erstmals erwähnt worden sein, Ende des 18. Jahrhunderts als Weinstube. Bis 1921 gab es hier auch eine Bäckerei, wie das früher oft üblich war – Bäckerei und Weinstube gehörten zusammen. Außerdem war es eines der schönsten Fachwerkhäuser der Stadt.
Im Jahre 1883 kaufte Wilhelm Dörmühl sen. das traditionsreiche Gasthaus, das vorher über 90 Jahre lang im Besitz der Familie Schreher gewesen war. Mit seiner Frau Franziska führte er es erfolgreich weiter und baute außerdem den Weinhandel aus. Dieser wurde bald zu einem wichtigen Bestandteil des Betriebes.
Die Forststudenten und deren Professoren – das Schulhaus stand ja nicht weit entfernt in der Alexandrastraße – gingen hier ebenso ein und aus wie die Jäger vom 2. Jägerbataillon, Soldaten wie Offiziere. Viele Aschaffenburger Persönlichkeiten gehörten zu den Stammgästen: z.B. Hermann Dingler, Ludwig Erzgraber und Julius Maria Becker.
Als Wilhelm Dörmühl sen. im Jahre 1930 starb, übernahmen seine Söhne Wilhelm jun. und Josef den Betrieb. 1936 kostete ein Schoppen übrigens 25 Pfennige. Doch Josef kam im Zweiten Weltkrieg ums Leben, so dass nun sein Bruder Wilhelm Dörmühl jun. gemeinsam mit seiner Schwägerin Friedel Dörmühl das Lokal führte.
Wenige Wochen vor Ende des Krieges, am 1.4.1945, wurde das alte Weinhaus Dörmühl durch Brandbomben zerstört. Doch Wilhelm Dörmühl gelang es die ersten Jahre nach Kriegsende zu überbrücken. Er besaß ein kleines Büro in der Badergasse. Dieser winzige Raum wurde kurzerhand zum Stehausschank und die Stammgäste kamen weiterhin. Wie eng es dort zuging, sieht man daran, dass man morgens zur Frühschoppenzeit, wenn die Gäste ihren Schoppen tranken, kaum die Tür öffnen konnte. Im November 1953 wurde endlich das an alter Stelle neu erbaute Haus in der Sandgasse eröffnet. Das „Älteste Spezial-Weinhaus am Platz“ besaß nun eine Hubertusstube und ein Zimmer namens Kapellchen, sowie das Spitzweggärtchen. Die Wände waren holzgetäfelt, es gab schmiedeeiserne Deckenleuchten und bleiverglaste Fenster mit den Wappen berühmter Weinorte.
Nun begann die beste Dörmühlzeit, die Zeit von Willi und Anna: Willi mit Zigarre, der die Gäste begrüßte und Anna, aus Weibersbrunn gebürtig, die Bedienung. Anna gehörte zum Weinhaus Dörmühl wie das Weinhaus Dörmühl zu Aschaffenburg gehörte. Sie war schon in der Vorkriegszeit zum Dörmühl gekommen. Sie trug ihr Herz auf der Zunge. Noch zu Achtzigjährigen sagte sie. „Na mei Kind, was trink mer denn heut’?“ Und wenn einer der Gäste seine eigene Brotzeit mitbrachte, was nicht selten der Fall war, brachte Anna Teller und Besteck.
Im Weinhaus Dörmühl gab es Früh – und Dämmerschoppen, Montags– und Freitagsrunde, Stammtisch und Tanzabende, es war praktisch immer geöffnet.
Als Willi Dörmühl 1964 plötzlich starb, führten Friedel Dörmühl und ihr Sohn Josef jun. die Gaststätte weiter bis sie 1982 schloss und verkauft wurde. In den nächsten Jahren folgten mehrere Besitzer und Pächter. Heute befindet sich in dem Haus die „Sandbar“.
Ganz verschwunden aber ist das alte Weinhaus Dörmühl nicht, denn an den Gittertüren sind noch die Trauben zu sehen, die auf die einstige Bedeutung des Hauses verweisen und so ein Stück Aschaffenburger Geschichte bewahren.
Quellen:
Main-Echo vom 25.11.1953
Main-Echo vom 15.5.1982
Aschaffenburger Volksblatt vom 25.11.1953
Aschaffenburger Volksblatt vom 28.4.1982
Aschaffenburger Stadtzeitung, Ausgabe 46, Juni 1990