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Die Einweihung der Mainbrücke und des Floß- und Handelshafens am 15. August 1891

Der Himmel selbst nahm Antheil an unserer gestrigen Feier, denn die Sonne führte oben die Herrschaft und den Wolken gelang es nicht, dieselbe zu verdrängen. Mit diesen blumigen Worten beginnt die Berichterstattung im „Beobachter am Main“ über die Einweihung der neuen Ludwigs-Brücke und des neuen Floß- und Handelshafens am Samstag, den 15. August 1891.

Der Floß- und Handelshafen ersetzte eine seit etwa 1869/70 bestehende Ausladestelle in einem kleinen Schutz- und Winterhafen, die aber längst nicht mehr den gewerblichen Anforderungen genügte. Neben einem neuen Hafen wurde anstelle der bisherigen Brücke aus dem 15./18. Jahrhundert auch eine neue Brücke geplant. Diese alte Brücke wurde am 3. Januar 1889 das letzte Mal benutzt. Einen Tag zuvor wurde schon eine hölzerne Notbrücke errichtet, die im Juli 1891 wieder abgerissen wurde. Die neue Brücke besaß auf der Leiderer Seite acht Torbögen mit einer Scheitelhöhe von 7,8 Metern, einer Scheitelstärke von 1,1 Metern und einer Lichtweite von 23,8 Metern. Auf der Stadtseite kamen noch drei Torbögen mit einer Spannweite von 12, 10 und 9 Metern dazu. Ferner wurde ein Ländeplatz und Zufahrtsstraßen angelegt. Die Bauarbeiten für die neue Brücke begannen am 2. Januar 1889 und dauerten bis in den August 1891, als sie eingeweiht wurde.

Ursprünglich sollte die Brücke nur 7,70 Meter breit werden. Auf Veranlassung der Bachgaugemeinden wurde sie 9,70 Meter breit, weil darauf eventuell einmal eine Sekundärbahn verlaufen sollte. Die neue Brücke hieß „Ludwigsbrücke“, benannt nach König Ludwig I. (1786-1868), der fast jedes Jahr Aschaffenburg besuchte. Sein Enkel, Prinz Ludwig – der spätere König Ludwig III. (1845-1921) – war als Namensträger und Pate der Brücke eingeladen, nach Aschaffenburg zu kommen, er ließ sich aber vom Regierungspräsidenten Graf von Luxburg vertreten und schickte ein Telegramm. Die Einweihung an Maria Himmelfahrt, 15. August 1891, begann mit einem Pontifikalamt um 10 Uhr in der Stiftskirche, das der Bischof Dr. Franz Josef von Stein (1832-1909) hielt. Während die geladenen Gäste nach dem Gottesdienst in Kutschen zur Brücke fuhren, zog eine Prozession mit dem Bischof unter dem Traghimmel „samt der hochwürdigen Geistlichkeit“ bis an die Mainbrücke. Dort waren die im Hafen liegenden Schiffe und Flöße festlich geschmückt. Für die Festgäste hatte man ein Zelt errichtet. Neben dem Aschaffenburger Bürgermeister Friedrich Ritter von Medicus hielten der Regierungspräsident Friedrich Graf von Luxburg (1829-1905), Bischof von Stein und Kommerzienrat Alois Josef Dessauer (1824-1892) eine Rede.

Trotz der Hitze ertrugen alle Festgäste geduldig die Feier. Sie hatten Glück, denn in der Nähe gab es schwere Hitzegewitter. In Hörstein wurde ein Mann vom Blitz erschlagen, in Rottenberg und Schimborn vernichtete Hagel die Ernte. So bekam Aschaffenburg eine neue Mainbrücke, die bis zu ihrer Sprengung am 25. März 1945 in Betrieb war und auf deren Fundamenten bis 1970 die Nachfolgebrücke über den Main gebaut war.

 

Quellen:

Alois Grimm: Häuserbuch II, Aschaffenburg 1991, S. 504 (Floß- und Winterhafen), S. 527 (Bau der alten Mainbrücke), S. 541 (Sprengung der Brücke durch Franzosen), S. 569 (Abriss Notbrücke) und S. 572 (Sprengung und Fundamente bis 1970).

Aschaffenburger Zeitung 1891, Nr. 224, 15. August, S. 1-3.

Aschaffenburger Zeitung 1891, Nr. 225, 16. August, S. 1-2.

Aschaffenburger Zeitung 1891, Nr. 226, 17. August, S. 2.

Beobachter am Main 1891, Nr. 184, 17. August, S. 1-2.

Beobachter am Main 1891, Beilage zu Nr. 184, S. 2.

Alois Josef Dessauer, in: Monika Ebert: Die Dessauers. Eine Unternehmerfamilie im 19. und 20. Jahrhundert, Aschaffenburg 2018, S. 39.

König Ludwig I.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_I._(Bayern)

König Ludwig III.: https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_III._(Bayern)

Bischof Dr. Franz Josef von Stein: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Joseph_von_Stein

Regierungspräsident Friedrich Graf von Luxburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Luxburg

 

Fotos:

Foto der Einweihung 1891: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung, Foto: M. Wacker Witwe.

Foto der Mainbrücke um 1930: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Sammlung Stadelmann.

Foto Winterhafen um 1900: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung.

Kommentare

  1. Die Brücke, die bis zu ihrer Sprengung am 25. März 1945 in Betrieb war, hatte eigentlich keine „Nachfolgebrücke“ bis 1970, sondern es waren 1945 lediglich zwei der zehn Brückenpfeiler mit Betonpfeilern ersetzt worden und drei der elf Brückenbögen waren mit Brückentafeln aus Stahl und Beton ersetzt worden. Am Martinstag 1945 wurde die instandgesetzte Brücke dem Verkehr übergeben.

  2. Bleibt noch zu ergänzen, dass bereits am 29. April 1888 eine ähnliche Brücke in Würzburg dem Verkehr übergeben worden war, nämlich die Luitpoldbrücke. Heute heißt sie Friedensbrücke. Das Lehrgerüst dieser siebenbogigen Brücke wurde offenbar in Aschaffenburg weiterverwendet für die elfbogige Ludwigsbrücke. In Würzburg hatte die Luitpoldbrücke Baurat Josef Scherpf entworfen.

  3. Die eisernen Pfeiler, auf denen die Brüstung der Brücke ruht, wurden nach dem Abbruch Anfang der 70er Jahre zum Teil an Privatleute verkauft. Bis heute steht einer davon im Garten meines Vaters als Ständer für einen Pflanzentopf.

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