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Pfaffengasse – Ehemalige Jesuitenkirche Hl. Dreifaltigkeit

Pfaffengasse 26

Baugeschichte:

Die von Erzbischof und Kurfürst Johann Schweikard von Kronberg nach Aschaffenburg berufenen Jesuiten ließen sich 1612 in der Stadt nieder und begannen 1619 mit der Errichtung einer eigenen Kirche unmittelbar im Anschluss an das Jesuitenkolleg am nördlichen Ende der Pfaffengasse. Nach zweijähriger Bauzeit wurde die Kirche 1621 der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht. Der ausführende Maurermeister war laut Baurechnungen Benedikt Roth. Welcher Architekt die Pläne für die Kirche zeichnete, ist hingegen nicht überliefert. Allerdings handelt es sich hier um einen der ersten Sakralbauten in Deutschland, der nach dem Schema der Jesuitenkirche „Il Gesù“ in Rom (erbaut 1568–75), d. h. als barocker Saalbau mit Kapellen errichtet wurde. Bei diesem Bautypus wird der Schub des Tonnengewölbes über dem Mittelschiff über die Wandpfeiler abgeleitet. Diese sind mit Quertonnen gewölbt, zum Langhaus geöffnet und bilden Seitenkapellen. Insbesondere vom Jesuitenorden verbreitet und genutzt, wurde dieser Bautyp im 17. Jh. architektonischer Ausdruck der Gegenreformation. Auffällig ist bei der Jesuitenkirche der stilistische Gegensatz zwischen Außen- und Innenarchitektur. Während das Äußere im Stil der deutschen Renaissance gestaltet wurde, war der Innenraum im Sinne des italienischen Barock ausgeführt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass an der Gestaltung des Innenraums wahrscheinlich der damalige Rektor des Kollegs, Jesuitenpater Johann Reinhard Ziegler, entscheidend mitgewirkt hat. Er galt aufgrund seiner Reisen als Kenner der italienischen Kunst sowie süddeutscher Ordensbauten. Die Stuckaturen im Innenraum mit auf die Verherrlichung der Heiligen Dreifaltigkeit bezogenen figürlichen Motiven in der Halbkuppel der Apsis, den Zwickeln über den Chorbögen und in den Kapellen wurden von Eberhard Fischer aus Babenhausen im Sommer 1620 geschaffen. Die Skulpturen der Außenfassade werden der Werkstatt von Johannes Juncker zugeschrieben. Weitere Auskünfte über beteiligte Künstler gibt es nicht. Die Kirche diente dem Orden bis zu dessen Auflösung im Jahr 1772 und wurde dann Studienkirche für das humanistische Gymnasium und das im ehem. Kollegiengebäude untergebrachte Knabenseminar.

Im Laufe des 18. und 19. Jh. wurde die Kirche mehrfach mit einem neuen Anstrich versehen bzw. im Innern umgestaltet. So wurden 1810 die alten Altäre gegen neue ausgetauscht und die Bemalung des Chorbogens durch Jakob Konrad Bechtold neu geschaffen. Die Laterne über dem Hochaltar wurde geschlossen und der Name Jesu von Tüncher Stephan Stamm in den Laternenschluss stuckiert. Bei einer Restaurierung 1882 wurden verschiedene Gemälde an die Museen der Stadt Aschaffenburg abgegeben. Beim Luftangriff am 21. November 1944 wurde das Gotteshaus durch Bombenabwürfe bis auf die Außenmauern fast völlig zerstört. Das Tonnengewölbe des Langhauses sowie mehrere Kapellengewölbe waren eingestürzt. Die gesamte, im 19. Jh. angeschaffte Ausstattung ging verloren. 1950 wurden, nachdem der Abbruch der Kirche abgewendet werden konnte, die Umfassungsmauern statisch gesichert und das Dachwerk wieder hergestellt. Der Innenraum wurde zunächst als Magazin für das Museum der Stadt genutzt. 1962/63 erfolgte unter Leitung des Landbauamtes die Restaurierung der Außenfassade. Sie umfasste die Wiederherstellung der Sandsteinfenstergewände, die Verglasungen, die Ergänzung des Portals, die Reparatur der Außentreppe und bildhauerische Ergänzungen sowie Außenputz und -anstrich. Im Mai 1968 wurde das sich unmittelbar an den Chor der Jesuitenkirche anschließende, sog. Drei-Dippe-Haus (ehem. Schloßplatz 1) abgetragen, wodurch die bisher teilweise verdeckte Apsis der Kirche mit dem laubenartigen Umgang voll einsehbar und folglich saniert wurde. Das bischöfliche Ordinariat Würzburg erklärte 1969 die Kirche für gottesdienstliche Zwecke entbehrlich, worauf die Stadt Aschaffenburg das Gotteshaus aufkaufte. Es wurde 1973 profaniert. In den Jahren 1975/76 erfolgte die Wiederherstellung des kulturgeschichtlich bedeutenden Innenraums. Das Kirchenschiff erhielt eine neue Einwölbung, die Quertonnen der Seitenkapellen wurden gesichert und ergänzt sowie die erhaltenen Teile der Stuckierung gefestigt. Der Raum dient seither als Kunsthalle mit einer über 400 m² großen Ausstellungsfläche. 1982/83 wurde die Bautätigkeit mit einer Fassaden- und Dachsanierung abgeschlossen. Aktuell wird der gesamte Komplex mit den Gebäuden des ehem. Jesuitenkollegs und der ehem. Jesuitenkirche zu einem Museumsquartier umgestaltet.

Baubeschreibung:

Die einschiffige Anlage mit halbrunder, kuppelgewölbter Apsis ist nach Norden ausgerichtet. Auf dem hohen Walmdach sitzt ein zierlicher Dachreiter. Das Langhaus verfügt über drei Joche mit Seitenkapellen von geringer Tiefe. Die Sakristei befand sich im südöstlich anschließenden Kollegiumsflügel. Das Langhaus ist mit einer halbrunden Tonne mit Stichkappen gewölbt, die durch Gurte gegliedert ist. Die Seitenkapellen haben Quertonnen. Belichtet wird der Kirchenraum durch die Fenster der Seitenkapellen sowie durch Obergaden in den Stichkappen. Die Kirchenfenster sind mehrfach unterteilt, gerade abgeschlossen und mit einer von vier Volutenkonsolen getragenen Verdachung versehen. Die Obergaden sind stichbogig und haben eine profilierte Umrahmung mit Ohrung. Die zur Pfaffengasse gerichtete Westfassade ist architektonisch klar gegliedert. Im Bereich des Schiffes springt die Fassade risalitartig vor, die Kanten sind mit Ortquadern hervorgehoben. Den Mittelteil gliedern das Portal und ein großes rundbogiges Fenster mit Ohrung und gerader Verdachung auf drei Volutenkonsolen. Das Portal hat eine rundbogige Türöffnung mit dem Wappen von Kurfürst Johann Schweikard im Türscheitel, einer profilierten, geohrten Umrahmung und darüber einer geraden, verkröpften Verdachung, über der eine von Engeln gehaltene Kartusche mit dem Monogramm Christi, flankiert und bekrönt von Obelisken, angebracht ist. Auf den zurückspringenden Seitenteilen sind rundbogige Figurennischen mit profilierter Rahmung mit Ohrung ausgebildet, in denen die Figuren des Salvators und Mariä stehen. Darüber befinden sich kleine Rundblenden mit quadratischer, geohrter Rahmung. Der Dachanlauf wird durch Säulchenbalustrade als Attika maskiert, dahinter sind geschwungene Giebelstücke zu erkennen. Die Seitenfassaden sind außer durch die drei großen Fenster nicht gegliedert. Zwischen den Obergaden sind Streben mit geschwungenen Anläufen gesetzt. Bemerkenswert ist die Gliederung der Apsis durch eine umlaufende gedeckte Galerie, die als Verbindungsgang zwischen dem Nordflügel des ehem. Kollegs und einer in der Verlängerung der Kirche liegenden ehem. Scheune, später Wohnhaus, diente. Eine weitere kleine Besonderheit findet sich auf dem Dach des ehem. Kirchengebäudes: Die Pfeiler des Dachreiters sind schief gestellt und folglich auch die Schallöffnungen. Er hat eine gedrehte Spitze.

Quelle:

Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 106-107.

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