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Herstallstraße

Die Herstallstraße beginnt am sog. „Scharfeck“, einer Kreuzung, an der drei wichtige Innenstadtstraßen aufeinandertreffen. Herstallstraße und Sandgasse bilden dabei einen spitzen Winkel. Die Herstallstraße verläuft in nördlicher Richtung in leicht geschwungener und ansteigender Führung bis zur Friedrich- und Weißenburger Straße. Sie stellt die Verbindung der mittelalterlichen innerstädtischen Markt- und Handelsstraße (heute Dalbergstraße) mit der aus der Stadt heraus nach Goldbach und Würzburg führenden Handelsstraße (Goldbacher Straße) her. Sie ist eine der ältesten Straßen der Stadt. Erste Nennungen lassen sich im 13. Jh. nachweisen. Der heutige Straßenzug entspricht weitestgehend noch dem alten Grundriss, der im 19. Jh. durch Einrichtung einer einheitlichen Baulinie leicht begradigt und verbreitert wurde. Mit Eröffnung des Bahnhofes 1854 nördlich der Altstadt verlagerte sich der Verkehr zunehmend in diese Richtung, sodass sich die Herstallstraße zu einer belebten Einkaufsstraße entwickelte. Seit 1973 ist sie als Fußgängerzone für den Durchgangsverkehr gesperrt. Für die Namensgebung der Straße gibt es verschiedene Erklärungen.

Noch bis zum Ende des 19. Jh. setzte sich die Herstallstraße aus den Straßenabschnitten „Scharfeck“, „Salzmarkt“ und „Herstall“ bzw. „Herstallgasse“ zusammen. Der Herstall kann eine Sammelstelle von Truppen als Ausgangspunkt kriegerischer Aktionen gewesen sein. Auch kann damit eine wasserfreie Stelle in einem Überschwemmungsgebiet gemeint sein. Der Aschaffenburger Herstall ist eine flache Erhebung, die ehemals von Bachläufen, die z.B. durch die Sandgasse und das Schöntal flossen, und sumpfigen Gegenden wie dem Entenpfuhl (der heutigen Entengasse) umgeben war. Die dritte Deutung besagt, dass sich Herstall von „Herd“ und „brennen“ ableiten ließe, weil in dem Gebiet zwischen Herstallstraße, Sandgasse und Roßmarkt die ältesten Brennöfen der Hafner und die Essen der Schmiede und anderer Feuerhandwerker sowie Flachsverarbeiter standen. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die Straße überwiegend von giebelständigen Bürger- und Handwerkerhäusern gesäumt. Einen Eindruck davon vermittelt heute noch das mit seinem Giebel zur Herstallstraße ausgerichtete Gebäude Riesengasse 2, welches in die 1. Hälfte des 18. Jh. datiert, im Kern jedoch älter ist. Seit Mitte des 19. Jh. wurden diese Bürger- und Handwerkerhäuser von mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftsbauten abgelöst. Um 1900 wurden meist viergeschossige Wohn- und Geschäftshäuser errichtet, deren Erdgeschosse gewerblichen Zwecken dienten und deren Obergeschosse großzügiges Wohnen in der Innenstadt ermöglichten. Von diesen sind noch einige anschauliche Beispiele erhalten.

Herstallstraße 7

Bis 1874 bestand das Areal des heutigen Anwesens noch aus zwei Grundstücken, die dann vereinigt wurden. 1875 ließ sich der Säckler Jakob Ganz ein neues Wohn- und Geschäftshaus von Adam Kleespieß auf dem vergrößerten Grundstück errichten. 1888 wurde der Laden für den Kaufmann Samuel Stern umgebaut und die Erdgeschosstreppe im Wohnhaus verlegt, wodurch eine Vergrößerung des Ladens erreicht wurde. Die Umbauten plante der Architekt Hermann Reichard. Ein weiterer Ladenumbau erfolgte 1924 unter der Leitung des Baumeisters Johann Scheuermann. Der Laden wurde 1995 modernisiert und ist heute etwas zurückversetzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Rückwand des Gebäudes durch eine Sprengbombe bis auf die Höhe des 2. Stocks zerstört. Zwischenwände, Schaufenster sowie Türen und Fenster wurden zertrümmert. Das viergeschossige Wohn- und Geschäftshaus steht traufständig an der Herstallstraße. Von den vier Fensterachsen sind die beiden mittleren etwas enger gestellt und sitzen in einem leicht vorspringenden Risalit. Die Fenster des 1. Obergeschosses haben Brüstungsfelder, die übrigen Brüstungsgitter. Über den Fenstern im 1. und 2. Obergeschoss befindet sich ein gerades Gesims. Die Traufe kragt weit über und ist einfach profiliert. Zwei Gauben auf dem Satteldach wurden später ergänzt.

Herstallstraße 10

Der Uhrmacher und Juwelier Adam Nees ließ sich 1903 von dem Münchner Architekten August Hock das Wohn- und Geschäftshaus als Sandsteinquaderbau errichten. Das Gebäude mit neubarocker Fassade ist drei Achsen breit und vier Geschosse hoch. Im Mansarddach sitzt ein Zwerchgiebel. Im Erdgeschoss ist ein Laden eingerichtet, der mehrfache Umbauten erfuhr. Die großen Fenster im 1. Obergeschoss haben Stichbögen und Brüstungsfelder, die des 2. Obergeschosses Ohrungen und Brüstungsfelder mit Flachreliefs, die des 3. Obergeschosses Konsolen. In der Mittelachse befindet sich im Bereich des 2. und 3. Obergeschosses ein halbrund hervortretender Erker mit drei Fenstern je Geschoss. Unter dem Erker ist eine Wappenkartusche mit den Initialen des Bauherrn „AN“ für Adam Nees angebracht. Die Brüstungsfelder am Erker sind mit Reliefs versehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude vor allem am Dach durch Luftdruck und Artillerie schwer beschädigt. Zwischenwände, Fenster und Türen wurden zerstört. Die Instandsetzung des Gebäudes erfolgte 1946. Im Erdgeschoss befindet sich heute ein moderner Laden. Ansonsten zeigt sich das Gebäude noch in der von August Hock geplanten Gestalt und stellt somit ein Beispiel für die um 1900 neu entstandenen Bürgerhäuser dar.

Herstallstraße 12

Das Wohn- und Geschäftshaus ließ sich der Kaufmann Leopold Sternheimer nach Plänen des Baumeisters Adam Schneider 1903 erbauen. Im Erdgeschoss war ein Laden mit Verkaufsräumen im 1. Obergeschoss untergebracht, 2. und 3. Obergeschoss sowie das Dachgeschoss dienten Wohnzwecken. Das viergeschossige Gebäude mit dreiachsiger Fassade wurde an der neuen Baulinie errichtet, die in diesem Bereich etwas zurückgenommen wurde, um die Biegung der Straße leicht zu begradigen. Die aus Sandsteinquadern steinsichtig gefertigte Fassade ist asymmetrisch gestaltet. Der Eingang zu den Wohnungen liegt auf der Seite zu Haus Nr. 14. Daneben befindet sich ein modernisierter Laden. Das Obergeschoss weist großformatige Schaufenster auf, die von bossierten Pfeilern gerahmt werden. In den beiden Geschossen darüber befindet sich auf der linken Seite ein Erker mit großen Korbbogenfenstern, die mit Festons dekoriert sind; die Schmalseiten haben Schlitzfenster. Der Erker wird von über zwei Geschose reichenden kannelierten Pilastern flankiert. Die rechte Fassadenhälfte wird durch zwei Fensterachsen mit segmentbogigen und rundbogigen Fenstern gegliedert, die mit Brüstungsfeldern, Pilastern und Kartuschen gestaltet sind. Das Traufgesims kragt vor und ist mit einem Zahnfries versehen. Auf dem Dach sitzen ein Zwerchgiebel und zwei Gauben. Nachdem an dem Gebäude während der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg starke Schäden entstanden waren, zeigen sich der Dachbereich und der Giebel heute nicht mehr so reich ausgebildet.

Herstallstraße 14

Der Apotheker Ludwig Ostermaier ließ sich 1906 von Johann Scheuermann ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichten. Der viergeschossige Bau entstand an der etwa 2 m zurückgenommenen, neuen Baulinie unter Einbeziehung des Nebengrundstücks. Die nur dreiachsige, aber dennoch breite Fassade des unverputzten Sandsteinquaderbaus ist deutlich horizontal gegliedert. Im Erdgeschoss befindet sich die Apotheke mit drei breiten, korbbogigen Schaufenstern, von denen das mittlere größer ist und den Ladeneingang bildet. Der Eingang zu den Wohnungen liegt auf der Seite zu Haus Nr. 12. An den äußeren Achsen der drei Wohnzwecken dienenden Obergeschosse sind polygonale Erker mit Zwerchgiebeln ausgebildet, die durch Balkone mit steinernen Brüstungen miteinander verbunden sind. Auf der Brüstung des 1. Obergeschosses steht auf einem Konsolstein mit Volute die Bronzefigur eines Vogel Strauß. Im 1. und 2. Obergeschoss gibt es ein breites, korbbogiges Fenster, im 3. Obergeschoss ein rechteckiges Doppelfenster. 1945 wurde das Gebäude am Dach durch Granaten schwer beschädigt. 1964 und 1975 erfolgten Renovierung und Modernisierung des Gebäudes und 1992 eine Umgestaltung der Schaufensterfront, die dabei wieder in ihren bauzeitlichen Zustand von 1906 zurückgeführt wurde, nachdem sie 1961 umgebaut worden war.

Herstallstraße 26

1908 wurde an der neuen Baulinie ein Wohn- und Geschäftshaus für Bäckermeister Philipp Rüth von den Architekten Reichard & Wild errichtet. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen und dabei das Mauerwerk beschädigt, Fenster und Türen sowie Zwischenwände zerstört. 1967 erfolgten bauliche Änderungen nach Plänen des Architekten Georg Ackermann. 1983 wurden die Obergeschosse nach Plänen des Architekten Josef Böhm umgebaut. Die letzte umfangreiche Umbaumaßnahme fand 1992 statt. Aus der Zeit der Erbauung ist der Figurenschmuck an den Pfeilern zwischen den Fenstern des 1. Obergeschosses erhalten. Es handelt sich dabei um figürlich gestaltete Quader aus marmoriertem, rotem Sandstein, welche die Pfeiler bilden. Dargestellt sind (von links): ein Kopf mit einem Korb, aus dem ein Weinstock wächst, darüber zwei Vögel; eine Frauenfigur über einem Widder, darüber zwei Hasen; ein Bauer über einem Krebs, darüber zwei Tauben; eine Frauenfigur mit Füllhorn über einer Waage, darüber Füchse; ein Jäger über einem Steinbock, darüber zwei Vögel; ein Korb über einem Frauenkopf, aus dem ein verschlungener Baum wächst, darüber zwei Bären; ein Atlant als Erkerträger, zwischen seinen Beinen eine abwehrende Figur; ein Kopf mit einem Korb, aus dem ein Baum wächst, darüber Vögel. Der figürliche Fassadenschmuck ist 1908–09 von dem Aschaffenburger Bildhauer Vinzenz Schwind (1885–1847) gefertigt worden. Über dem mittleren Fenster im Erdgeschoss befindet sich außerdem ein Konsolstein mit Weinranken, darauf ein Modell des Vorgängerbaus.

Herstallstraße 28

1906 planten die Architekten Becker & Scholl einen Neubau für die Kaufleute Julius und Berthold Adler. Erst zwei Jahre später wurde der dritte Entwurf verwirklicht. Es entstand schließlich ein modernes Wohn- und Geschäftshaus, dessen Fassade ohne historisierende Neostile auskommt. Die aufgehende Wand ist fast völlig in Fensterflächen aufgelöst. Sie wird nur von schmalen geschossübergreifenden Lisenen und Fensterpfosten aus Sandstein gebildet. Diese verleihen dem Gebäude einen modernen Charakter. Im Erdgeschoss wurde der Laden eingerichtet und im darüberliegenden „Entresol“, dem Halbgeschoss, gab es weitere Ausstellungsräume für Waren. Der Eingang zu den Wohnungen in den darüberliegenden Geschossen befindet sich auf der linken Seite, rechts daneben ist der Laden. Die Fassade aus rotem Sandstein mit weißer Marmorierung ist in drei Fensterachsen, die durch Lisenen voneinander getrennt sind, unterteilt. Die linke Achse ist zu einem Bay-Window-Erker ausgeformt, der in jedem Geschoss vier schmale Fenster mit Brüstungsfeldern hat, die im 1. Obergeschoss mit Rollwerk-Kartuschen und im 2. Obergeschoss mit Reliefs von Adlern, wohl als Anspielung auf die Bauherren, versehen sind. Die Fenster der beiden Achsen rechts neben dem Erker sind zu Dreiergruppen zusammengefasst, ihre Brüstungsfelder sind leer. Unter der weit überstehenden Traufe befinden sich Kassettenfelder mit Reliefs. Das Mansarddach ist ausgebaut. Über dem Erker sitzt ein Aufbau mit vier schmalen Fenstern und Segmentbogen, der das Relief eines doppelten A – für die Brüder Julius und Berthold Adler – enthält. Durch mehrere Angriffe und Artillerie wurde das Gebäude im Zweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Dachwerk brannte aus, Mauern wurden z.T. stark beschädigt. Zwischen 1946 und 1949 wurde das Haus instand gesetzt, 1960 die Schaufensteranlage umgestaltet sowie das Gebäude 1970 umgebaut und erweitert.

Herstallstraße 29

Nachdem das einer Inschrift zufolge 1754 erbaute Vorgängergebäude im Mai 1905 abgebrannt war, erwarb der Kaufmann Friedrich Fritz das Grundstück und ließ sich hier den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses nach Plänen von Hermann Reichard errichten. Das schmale Gebäude steht traufständig zur Hertallstraße und schließt mit einem Mansarddach ab. Das Dach wird von einem über die gesamte Breite reichenden Giebel mit ornamentierter Kartusche und Bezeichnung „1905“ dominiert. Die Fassade ist zweiachsig, die rechte der beiden Achsen ist im 1. und 2. Obergeschoss zu einem geschwungenen Erker ausgeformt. Dieser schließt im 3. Obergeschoss mit einem Balkon mit Eisengitter ab. Die Fassade ist glatt verputzt. Der Erker, die Fensterrahmungen und die Lisenen an den Gebäudekanten sind aus rotem Sandstein. Im Unterschied zu dem in den Bauakten enthaltenen Entwurf von Hermann Reichard, der eine Jugendstilfassade vorsah, wurde die Fassade im historisierenden Stil des Neubarock realisiert. Luftdruck, Splitter und Artillerie beschädigten die Fassade des Gebäudes 1944/45. Nach Instandsetzung wurde der Laden 1955 umgestaltet. Nachdem 1966 der Eigentümer das Gebäude abbrechen und durch einen Neubau ersetzen wollte, zeigt es sich heute bis auf den modernisierten Erdgeschossbereich in der äußeren Form von 1905.

Quelle:

Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 68-72.

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