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Bodendenkmäler – Grabanlagen in Leider

Auf dem Waldfriedhof, Flur „Lackenbuckel“ befindet sich eine Gräbergruppe des Endneolithikums, von der 1970 eine Körperbestattung bei Ausschachtungsarbeiten für das Grab Nr. 43 im Feld C 5 zufällig entdeckt wurde. Bei den Bodeneingriffen stieß man zunächst auf eine Konzentration von Sandsteinen, die wegen ihrer Größe nicht in diesem Bereich anstehen können. Da nach ihrer Beseitigung einige Skelettteile in ungewöhnlicher Position und insbesondere ein Gefäß aufgefunden wurden, zog man Mitarbeiter der Aschaffenburger Museen hinzu, die eine Notbergung vornahmen. In der südlichen Längsseite des Grabschachtes wurde dabei ab 0,47 m Tiefe eine trichterförmige Mulde von 1,15 m Tiefe und 1,60 m Breite beobachtet, die sich wegen des feineren Füllmaterials und einer homogen bräunlichen Färbung deutlich abzeichnete. An der Grenze zwischen der Mulde und dem anstehenden Boden, den durch den Fluss aufgeschüttetes Material gebilder hat, wurde eine weißliche Kalzinierung festgestellt, die nicht näher zu deuten ist. Aufgrund der aufgefundenen Skelettteile, dem rechten Teilstück des Beckens und Teilen des rechten Oberschenkels, wurde vermutlich das untere Drittel einer Hockerbestattung angeschnitten. Ob der Rest der Bestattung durch frühere Bodeneingriffe in Zusammenhang mit der Nutzung des Areals als Friedhof bereits zerstört wurde, ist unklar. Das beigegebene Gefäß war von einer Steinpackung umstellt. Es zeigt die typische Glockenbecherform auf einem relativ breiten, geraden Standboden. Auf dem Hals befinden sich drei Zierbänder, die äußeren, etwas schmäleren mit Schrägstrichschraffur, das davon eingefasste mittlere Band mit Tannenzweigmuter, Strichgruppen und Leerfeldern abwechselnd gefüllt. Auf dem Bauch sind ebenfalls drei Bänder eingeritzt, die äußeren wie zuvor, das breite mittlere Band mit zwei sich kreuzenden Wellenlinien gefüllt. Die daraus entstehenden spitzovalen Facetten sind mit Fischgrätmuster gefüllt, der Rest mit Schrägstrichschraffur. Das Gefäß datiert in die jüngere Glockenbecherzeit (23.–21. Jh. v. Chr.) und entspricht dem für das Untermaingebiet typischen Form- und Verzierungskanon.

Der Fundplatz ist in unmittelbarer Nähe zum Mainufer auf einer Terrasse gelegen. Heute befindet sich hier an der Großostheimer Straße, der Landstraße von Großostheim nach Aschaffenburg, ein Sportplatz mit Vereinsgebäude. 1909 traten in der Kiesgrube beim Nilkheimer Hof die ersten Funde zutage, eine größere Anzahl wurde 1936 getätigt. Vermutlich ist die Fundstelle nunmehr zu einem großen Teil durch den Kiesabbau zerstört. Weder die genaue Ausdehnung der ehem. Kiesgrube noch die exakte Lage der einzelnen Bestattungen kann noch ermittelt werden. Auch der überwiegende Teil der Fundobjekte wurde während des Zweiten Weltkrieges zerstört. Im September 1909 fanden Arbeiter in der Kiesgrube ein Skelett, angeblich „in sitzender Stellung“. Beigaben werden nicht erwähnt. Ein Zusammenhang mit den später geborgenen latènezeitlichen Funden ist nicht belegbar, sodass eine nähere Datierung dieses Befundes nicht möglich ist. Erst im August 1936 kamen weitere Bestattungen zutage, nachdem der Kiesabbau nach einem Besitzerwechsel stark intensiviert worden war. Keines der insgesamt mindestens fünf Gräber konnte noch in situ beobachtet werden. Die sichergestellten Funde, die sich nicht alle bestimmten Bestattungen zuordnen ließen, belegen ein Flachgräberfeld mit Körpergräbern der entwickelten Früh- und der Mittellatènezeit (Lt B und C). Neben Resten der Skelette, insbesondere der Schädel, wurden Fragmente eiserner Angriffs- und Defensivwaffen, Reste eines Schwertgehänges, Schmuck sowie verschiedene Gefäße beschrieben. Hervorzuheben sind zwei Knotenarmringe aus Bronze, die der Frühlatènezeit angehören. Sie zeigen, dass die Belegung des Friedhofs noch im 4. Jh. v. Chr. einsetzt.

Ende 1936 wurde offenbar auch ein Grubenhaus angeschnitten, das in der Fundmeldung als „Wohngrube“ bezeichnet wird. Auf einem Foto der Abbaukante ist der Befund durch eine ungefähr 5 m breite und 0,5 m tiefe schwarze Verfärbung deutlich erkennbar. Hieraus stammte eine größere Anzahl merowingerzeitlicher Keramik, u. a. mit Rollstempelverzierung, die in die 2. Hälfte des 7. Jh. datiert werden kann. Es könnte somit ein Zusammenhang der durch das Grubenhaus belegten Siedlung der Merowingerzeit mit der zwischen 711 und 716 geweihten Kirche in dem abgegangenen Dorf Nilkheim bestehen, die möglicherweise mit der Kapelle St. Kilian identisch ist. Im Juni 2010 wurde der Bau eines Radweges entlang der Großostheimer Straße, nur etwa 30 m nordwestlich der Fundstelle, archäologisch begleitet. Die Fläche konnte allerdings nur bis zu einer Tiefe von 0,2 m unter der Humusdecke untersucht werden, da bauseitig keine tieferen Eingriffe notwendig waren. Archäologisch relevante Befunde wurden unter diesen Umständen nicht beobachtet, sodass die exakte Ausdehnung der Fundstelle in nordwestlicher Richtung weiterhin offen bleibt.

Beim Bauaushub für die Siedlung Nilkheim wurden im Februar 1950 Teile eines Gräberfelds der Merowingerzeit in etwa 2 m Tiefe durch den Bagger erfasst und zerstört. Der Bodendenkmalpflege wurden diese Bestattungen erst spät bekannt, sodass die genauen Fundumstände in den meisten Fällen offen bleiben. Lediglich ein geostetes Grab wurde noch in ursprünglicher Lage beobachtet. Die geborgenen Beigaben dieses Befundes wurden zunächst einer Bestattung zugeordnet, stammen aber von wenigstens zwei Toten, einer Männer- und einer Frauenbestattung. Dem Frauengrab können eine Bronzenadel und 21 einfarbige Glasperlen zugeordnet werden. Aus dem Männergrab stammen ein Sax, eine Lanzenspitze, eine silbertauschierte Eisenschnalle und weitere Reste der Gürtelgarnitur, ein Kamm aus Bein, eine kleine Bronzezwinge sowie ein doppelkonisches Tongefäß mit Rollrädchenzier. Erst 1949 wurde eine Kanne als Streufund aus der „Großostheimer Siedlung“ abgegeben. Sie stammt sicher aus einer beim Häuserbau zerstörten Bestattung. Die datierbaren Funde aus dem Gräberfeld weisen in die 2. Hälfte des 7. Jh. Der Bestattungsplatz befand sich auf einer Flussterrasse etwa 7 m über dem heutigen mittleren Wasserstand und ist in Verbindung mit der zeitgleichen Siedlung in etwa 300 m Entfernung zu sehen.

1953 wurden beim Aushub für eine Klärgrube hinter dem Wohnhaus der Großostheimer Straße 171 einige Keramikstücke gefunden, die auf eine Siedlung der älteren Latènezeit (Lt A bis Lt B) schließen lassen. Die Fundstücke stammten aus einer intensiv schwarzen Schicht, die sich in 1,5 m Tiefe deutlich vom umgebenden Mainkies abhob. Die Verfärbung reichte nicht bis zur Sohle der Klärgrube und war daher wohl nur etwa 1 m mächtig. Sie konnte in ihren Ausmaßen durch den herbeigerufenen Archäologen allerdings nicht mehr dokumentiert werden. Unter den wenigen Scherbenfunden fällt der Boden eines grob geformten, außen ungeglätteten Vorratsgefäßes auf, das innen eine dünne Graphitschicht aufwies. Geborgen wurde auch das beidseitig geglättete Randstück eines Gefäßes mit Schulterrand und verdickter Lippe aus glimmerhaltigem Material. Der Typologie nach kommt eine Datierung in die frühe Latènezeit in Betracht. Die einfache Formgebung steht aber auch einer späteren Zeitstellung, nämlich der Spätantike oder Völkerwanderungszeit, nicht entgegen. Die Machart und insbesondere die Glimmermagerung haben hier die größeren Parallelen. Auf Grundlage der Funde ist nicht sicher zu entscheiden, ob Siedlungsbefunde oder möglicherweise auch ein Brandgrab angetroffen wurden. Sekundäre Brandspuren auf drei der größeren Gefäßteile könnten auf letzteres hindeuten. Im August 2008 ergab sich bei einem Neubau in der Großostheimer Straße 179 die Gelegenheit zu einer neuerlichen archäologischen Beobachtung. Der Abtrag des Oberbodens bis zu der bauseitig notwendigen Aushubtiefe von lediglich 0,45 m zeigte auf der gesamten Fläche nur moderne Auffüllungen, die wohl mit dem Straßenbau zusammenhängen. Archäologisch relevante Schichten wurden nicht erreicht.

Auf dem Grundstück Großostheimer Straße 101 wurden 1964 beim Ausheben eines Grabens für einen Kanalanschluss vor- und frühgeschichtliche Keramikstücke gefunden. Diese bildeten die Grundlage für eine zweitägige Nachgrabung durch Mitarbeiter der Aschaffenburger Museen. Dabei konnte in einer Tiefe von 0,4 m eine 1,5 m lange und 0,5 m breite Grube aufgedeckt werden. Die Verfüllung bestand aus dunkel gefärbter Erde mit einigen Holzkohleeinschlüssen und wurde bis zu einer Tiefe von 1,2 m ausgegraben. In der Grube fanden sich auch Platten aus Granit und einige Sandsteine. Obgleich von Leichenbrand nicht berichtet wird, könnte es sich auch um eine Grablege gehandelt haben.

In der Verfüllung lagen die Scherben von etwa 14 Gefäßen aus unterschiedlichem Material und verschiedener Form verstreut. Eindeutig in die frühe Latènezeit (Lt A) gehören eine Schüssel mit S-förmig geschweiftem Randprofil und zwei wohl zu einem Fläschchen zu ergänzende Scherben. Die übrigen Stücke sind zeitlich schwer zuordenbar und könnten auch der römischen Kaiserzeit oder der Völkerwanderungszeit zuzuweisen sein. Das anhand der größeren Fragmente rekonstruierbare keramische Inventar umfasst acht Gefäße, nämlich zwei große Urnen, eine Schüssel, zwei Schalen, ein Gefäß unbestimmbarer Form, einen zylindrischen Topf und eine kleine Flasche. Die Keramik ist durchgehend mit Glimmer und Quarz gemagert und bei hohen Temperaturen gebrannt.

In der Flur „Bischofsgrund“ wurde 1980 im Luftbild eine Grabenanlage vor- und frühgeschichtlicher Zeitstellung entdeckt. Da der Befund nicht über die Feldgrenzen verfolgt werden konnte, ist eine nähere Deutung nicht möglich. Mangels Oberflächenfunden kann auch die Zeitstellung nicht näher eingegrenzt werden. Heute ist das Gelände wieder aufgeforstet und für den Einsatz weiterer zerstörungsfreier Prospektionsmethoden kaum geeignet.

In der Flur „Mittleres Feld“ westlich des Landgrabens wurden im Luftbild aus dem Jahr 2000 verschiedene Spuren runder Grabenanlagen sichtbar. Sie belegen verebnete Grabhügel vorgeschichtlicher Zeitstellung, die infolge der landwirtschaftlichen Nutzung des Geländes vollständig eingeebnet wurden.

Quelle:

Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 283-285.

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