Befunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
Brennofengasse
Die Aschaffenburger Unterstadt grenzt sich von dem Altstadtkern der Oberstadt topographisch deutlich ab. Sie schließt sich im Osten und Nordosten an den Stadtberg an und erstreckt sich bis an den Park Schöntal sowie die Weißenburger Straße. Im gesamten Areal sind archäologische Befunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit vorhanden, auch wenn die archäologische Substanz im Weichbild der mutmaßlichen Siedlungskerne im Vergleich zur Oberstadt geringere Mächtigkeit zu besitzen scheint. Das Erkenntnispotential archäologischer Maßnahmen zeigen jedoch schlaglichtartig die Ergebnisse der Untersuchungen in der Treibgasse 26–28 im Umfeld der Pfarrkirche St. Agatha auf. Hinweise auf eine vormittelalterliche Besiedlung im Areal der Unterstadt geben lediglich die ohne nähere Fundumstände überlieferten Objekte aus der Brennofengasse.
1955 gelangten ohne weitere Angaben die Reste von mindestens neun Gefäßen an die Museen der Stadt Aschaffenburg. Als Fundort wurde die Brennofengasse angegeben. Bis auf eine Schale sind alle Scherben durch sekundären Brand vollständig durchgeglüht. Dennoch scheint das Fundensemble nicht einheitlich. Während die handgeformten Töpfe am besten mit germanischer Ware des 3./4 Jh. n. Chr. zu vergleichen sind, befindet sich darunter auch ein hochmittelalterlicher Linsenboden. Möglicherweise deuten die Objekte auf eine Siedlung der jüngeren römischen Kaiserzeit unterhalb der Oberstadt hin. (Vgl. Baudenkmäler, Ensemble Friedrichstraße/Weißenburger Straße).
Friedrichstraße 7
Beim Bau der städtischen Sparkasse wurden 1904 auf dem Grundstück Friedrichstraße 7 am Rande der historischen Unterstadt ca. 250 Münzen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit entdeckt. Die Silbermünzen datieren von der Mitte des 15. bis zum Ende des 16. Jh. Sie befanden sich wahrscheinlich in einem wohl Dieburger Becher und wurden gemeinsam als Verwahr- oder Versteckfund innerhalb der Stadtmauer im Sailergang niedergelegt. Mit einem konkreten historischen Ereignis lässt sich die Deponierung nicht verbinden. Der erst in den 1990er Jahren gemeldete Fund befindet sich in Privatbesitz.
Löherstraße
Nach Auskunft des handschriftlichen Inventars des Aschaffenburger Museums wurde 1866 im „Löhergraben“, also im Bereich der heutigen Löherstraße, eine Silbermünze gefunden. Es handelte sich um einen Viertel Guldener aus Augsburg. Avers zeigt die Münze den Augsburger Herzschild mit Pinienzapfen und die Umschrift „AVGVSTA VINDELICORVM“, Revers einen Reichadler mit der Umschrift: „IMP . CAES . CAROLI . AUG . V . MVNVS“. Weitere Angaben sind nicht überliefert.
Löherstraße 7
Im Zuge von Baumaßnahmen wurden auf dem Grundstück Löherstraße 7 im Herbst 2002 zwei Sondageschnitte angelegt, die durch Mitarbeiter der Museen der Stadt Aschaffenburg begleitet wurden. Mit dem ersten Schnitt sollte ein Brunnen wieder aufgefunden werden, der sich bis 1876 frei im Hofbereich befunden hatte. Der zweite Schnitt verlief durch den Gartenbereich und diente der Feststellung der archäologischen Substanz. Der lokalisierte Brunnen bestand aus einer oberen Röhre aus Gneis, die mit dem Bagger abgebrochen und bis zu einer Trennschicht aus zuvor eingefüllten Kieseln ausgehoben wurde. In ca. 5 m Tiefe trat starkes Hangwasser ein. Die gesamte Tiefe der Anlage lag bei knapp 6 m. Der Außendurchmesser betrug etwa 1 m, der innere Durchmesser 0,7 m. Die Brunnenstube wurde durch einen dreilagigen Ring aus behauenem Sandstein gebildet, der auf einem Senkring aus verblatteten und geklammerten Eichenbohlensegmenten auflag. Die untere Verfüllung der Brunnenstube wurde gesondert geborgen und nach Funden durchgesucht. Daraus stammen v. a. glasierte oder malhorndekorierte Keramikfragmente, Fensterglas und Platten von Dachschiefer. Das Material gehört in die Zeit der Aufgabe des Brunnens und kann in das 19. Jh. datiert werden. Die Bauweise des Brunnens und der Umstand, dass im Bereich des Landinggrabens mehrere Bäche verliefen, sprechen am ehesten für eine Anlage neuzeitlicher Zeitstellung. Der zweite Sondageschnitt im Garten des Grundstücks erbrachte keine Hinweise auf eine Bebauung des Mittelalters oder der frühen Neuzeit. Die aufbauenden Erdschichten im Verfüllungstrichter zwischen Hang und der an der Löherstraße abschließenden Mauer bestanden in den unteren Schichten aus fundfreier Gartenerde. Im oberen Verfüllungshorizont war neuzeitlicher Abfall aus den letzten vier Jahrzehnten eingelagert.
Nebensteingasse 3
In der Nebensteingasse 3 wurde 1955 bei Umbauarbeiten ein Hausgrundstein entdeckt. Dabei fanden sich offenbar auch Münzen, deren späteste Prägung aus dem Jahre 1759 stammt. Der Stein selbst besitzt in der Mitte eine eingestoßene rechteckige Vertiefung, die mit einem Schieferstück abgedeckt war. Auf den Längsseiten ist oben je ein Weihekreuz eingeschlagen. Die Funde verblieben in Privatbesitz.
Sandgasse 3
1957 wurde bei Baumaßnahmen auf dem Grundstück Sandgasse 3 (Kaufhaus Berhard) ein verschütteter Brunnen entdeckt, aus dem spätmittelalterliche Keramik, wohl des 14. Jh., geborgen wurde. Am auffälligsten ist ein bauchiger Krug aus hartgebrannter Irdenware oder Faststeinzeug.
Steingasse 1
Beim Umbau des Gebäudes wurde 2011 die Fläche der geplanten Streifenfundamente im Innenhof durch das Archäologische Spessartprojekt e.V. voruntersucht. Dabei konnten wenige Fundamentreste des hohen Mittelalters dokumentiert werden. Entdeckt wurde auch ein nicht näher datierbarer Keller, der offensichtlich erst nach 1960 verfüllt worden war und Kleinfunde aus der Nutzungszeit des Gebäudes durch einen Optiker enthielt.
Treibgasse 26-28
Im Vorfeld des geplanten Abrisses und Neubaus des Martinushauses wurden im Juli/August 2002 zur Feststellung der erhaltenen archäologischen Substanz Voruntersuchungen durch die Firma Heyse durchgeführt. Dazu wurden drei Profilschnitte unmittelbar am bestehenden Gebäude und ein größerer Schnitt im Pfarrgarten angelegt. Im Ergebnis zeigte sich das Umfeld des Martinushauses als durch neuzeitliche Baumaßnahmen bzw. Versorgungsgräben stark gestört. Eine vor- und frühgeschichtliche oder frühmittelalterliche Besiedlung konnte nicht beobachtet werden. Überwiegend wurden frühneuzeitliche Keramik- und Glasfunde geborgen, die durchaus eine hohe Qualität besaßen. Nicht datierbar oder bestimmten Gebäuden zuweisbar waren verschiedene Mauerfragmente. Als ältester Befund erwies sich der untere Rest einer Grube, aus der zahlreiche Funde des 12./13. Jh. geborgen werden konnten. Hieraus stammen auch Scherben sog. Pingsdorfer Keramik aus dem Rheinland sowie eine kreuzförmige Fibel aus Buntmetall. Das qualitätvolle Stück weist Aussparungen für Grubenemaileinlagen auf, das zentrale Zierfeld ist mit einem Perlrand eingefasst. Die Fibel datiert in ottonisch/salische Zeit (10./11. Jh.). Stratigraphisch jüngere Buntmetallschlacken können für hoch- oder spätmittelalterliche Metallverarbeitung im näheren Umfeld sprechen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Gelände spätestens im 12. Jh. mit der vermutlichen Gründung der St.-Agathakirche in die städtische Entwicklung einbezogen wurde und wohl einem gehobenen Bürgertum als Wohnstätte diente. Die geborgenen älteren Einzelfunde reichen jedoch noch nicht aus, um einen vielfach vermuteten frühmittelalterlichen Siedlungskern zu bestätigen.
Wermbachstraße 15
Bei Sanierungsarbeiten im sog. Schönborner Hof in der Wermbachstraße 15 wurde 1958 ein gemauerter Keller angetroffen, der mit Schutt und Abfall verfüllt war. Bei der Baustellenbeobachtung konnten ca. 30 kg Keramik- und Glasfragmente aus dem ausgehenden 17. bis 19. Jh. geborgen werden. Darunter befindet sich gehobenes Sachgut wie Westerwälder Steinzeug, Delfter Kacheln oder Porzellan von Wedgewood und Villeroy. Bei den Glasfunden handelt es sich um Flaschen, Trinkgläser, Becher und Arzneigefäße.
Der Schönborner Hof war die Stadtresidenz der Familie Schönborn, die zahlreiche Aschaffenburger Vizedome sowie zwei Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten stellte. Der soziale Status der Familie ist an den Funden aus der Kellerverfüllung deutlich ablesbar.
Quelle:
Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 233-235.