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Eine Biographie: Gottfried Schüßler (1908 – 1941)

Autorin: Jana Brendler

Im November 2021 hat Frau Heidi Kolb aus Glattbach dem Stadt- und Stiftsarchiv 166 Bilder Ihres Vorfahren Gottfried Schüßler in digitaler Form überlassen. Der nachfolgende Text ist eine Biographie Gottfried Schüßlers und soll an sein Lebenswerk als Photograph erinnern.

Gottfried Schüßler wurde am 21.12.1908 als jüngstes Kind der Eheleute Johann und Anna Schüßler, geb. Morhard, in Glattbach geboren. Er wuchs in einer gut bürgerlichen Familie auf, besuchte die Volksschule in Glattbach und später das Gymnasium in Aschaffenburg. Gottfried begann nach seiner Schulzeit 1926 eine Ausbildung als Kaufmann in der Kleiderfabrik Kunkel & Cie. In den 1930er Jahren war er für die Ausstellung der Firma auf der Leipziger Weltmesse verantwortlich, ein Erfolg für ihn und ein großer Vertrauensbeweis seines Arbeitgebers!

Musik spielte in Gottfrieds Leben eine große Rolle. Familie Schüßler war sehr musikalisch, mehrere nahe Verwandte spielten Instrumente. Gottfried und sein Vater, der über 40 Jahre den Männerchor in Glattbach dirigierte, sowie fast alle männlichen Verwandten, waren Mitglieder im Gesangverein „Germania“ Glattbach. Ob Gottfried ein Instrument beherrscht hat, ist nicht bekannt.
Mit dem Auto fuhr Gottfried in den Urlaub und unternahm viele Ausflüge in der näheren Umgebung, z. B. am Main und am Rhein entlang. Er war gesellig und traf sich oft mit seinen Freunden aus Glattbach und Aschaffenburg. Er war sehr sportlich, betrieb sogar etwas Leichtathletik. Auch Skifahren gehörte zu seinen Leidenschaften. Er unternahm Urlaubsreisen im Sommer und Winter, etwa zu den olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen, wie einige Fotoaufnahmen zeigen. Eine große Leidenschaft von ihm war das Fotografieren, so sind der Familie viele Aufnahmen geblieben, die nicht nur sein Familien- und Freizeitleben zeigen, sondern auch seine Arbeitswelt und seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg dokumentieren. Er suchte sich auch besondere Motive in dem Dorf und der Stadt Aschaffenburg aus und hinterließ viele Fotografien.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde Gottfried eingezogen und musste zuerst nach Kassel. Nach einer Sonderausbildung wurde er nach Bordeaux in Frankreich und im Juni 1941 nach Russland verlegt. Gottfried schrieb während dieser Zeit Briefe an die Familie, die heute noch existieren. Im September 1941 lag er mit seiner Truppe in der Nähe des Ilmensees am Fluss Covat. Bei einem russischen Luftangriff, der während der Sicherung eines Nachschubweges an einer Kriegsbrücke über die Covat stattfand, wurde er von einem kleinen Splitter an der Schläfe getroffen und war sofort tot. Der exakte Todeszeitpunkt war der 3. September zwischen 14.00 Uhr und 15.00 Uhr. Seine Schwester Paulina Göbel bekam den Umschlag mit der Todesnachricht als Erste in die Hand, sie führte die Poststelle im Dorf. Sie musste den Brief an ihre Eltern überbringen. Die Trauer war groß, es fehlte neben einem wichtigen Teil der Familie nun auch der Nachfolger für die Zigarrenfabrik Schüßler in Glattbach.
Bis heute existiert ein Gedenkstein für Gottfried Schüßler, der bis in die 1990er Jahre hinein im elterlichen Garten aufgestellt war. Nun ist er im Garten seiner Nichte Maria Jesinghaus in Glattbach zu finden. Trotz jahrelanger Suche durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräber Fürsorge e.V., die sein Neffe Heinrich Sommer angeregt hatte, wurde sein Grab nie gefunden.

Gottfried ist nicht vergessen, er lebt durch die Erzählungen in den Familien der späteren Generationen weiter!

Text: Heidi Kolb, Großnichte (Glattbach, 10.10.2021); gekürzt und editiert von Ulrike Klotz, Jana Brendler und Jan Majunke

Kommentare

  1. Eine sehr beeindruckende Geschichte, lebendig erzählt…das Grauen des Krieges, was die Leute alles aushalten mussten, wird anhand solcher Einzelschicksale deutlich. Wie wäre wohl sein Lebensweg weiter verlaufen, wenn er nicht einen sinnlosen Tod in einem fernen Land hätte sterben müssen?

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