Am 1. März 1901 – also vor 120 Jahren – wurde die Gemeinde Leider zur Stadt Aschaffenburg eingemeindet. Wie kam es dazu, dass die Gemeinde Leider freiwillig ihre Selbstständigkeit aufgab? Antwort: Sowohl die 600 Einwohner starke Gemeinde Leider als auch die 18.000 Einwohner zählende Stadt Aschaffenburg versprachen sich Vorteile davon.
Der damalige Bürgermeister von Aschaffenburg, Friedrich von Medicus (Amtszeit: 1877-1904), wollte die Mainkanalisierung vorantreiben. Dazu waren Hafenanlagen auf Leiderer Gebiet geplant – wo sich heute auch der Staatshafen befindet. Außerdem versprach sich Aschaffenburg wirtschaftliche Impulse und die Stärkung der Steuerkraft. Die Leiderer erhofften sich im Gegenzug einen Anteil am industriellen Aufschwung. Bisher war die stark landwirtschaftlich geprägte Gemeinde vor allem durch ihre Milch-, Obst- und Gemüsehändler in der Stadt bekannt.
Der Eingemeindung gingen natürlich viele Wirtshausversammlungen, Stammtischdiskussionen und Beratungen des Gemeindeausschusses voraus. So konnte sich Leider einige Reservatrechte sichern, zum Beispiel, dass die Leiderer zehn Jahre vom Schlachtzwang im städtischen Schlachthaus ausgenommen waren, dass der Frühgottesdienst in der Leiderer Kirche beibehalten wurde, oder dass die Leiderer Straßen ausgebaut wurden, ohne die Anlieger mit Ausbaubeiträgen zu belasten.
Am 1. Juli 1900 stimmte eine Bürgerversammlung in Leider einstimmig für den Anschluss zur Stadt Aschaffenburg. Der Aschaffenburger Stadtmagistrat beschloss am 20. Juli 1900, dass Leider von Aschaffenburg „einverleibt“ werde. Ursprünglich war als Beitrittstermin der 1. Januar 1901 vorgesehen, allerdings kam die Genehmigung des Königlich Bayerischen Innenministeriums erst am 15. Februar 1901 aus München. So kam es, dass Leider erst am 1. März 1901 zur Stadt Aschaffenburg eingemeindet wurde.
Kurz vor der Eingemeindung fasste der Gemeindeausschuss Leider am 25. Februar 1901 noch zwei Beschlüsse:
1. Es wurden acht Hektoliter Freibier an die hiesige Bürgerschaft verteilt und die Schuljugend bekam „Festwecken“.
2. Die Mitglieder der nach München entsandten Delegation erhielten Ersatz für ihre Auslagen.
Sowohl für die Gemeinde Leider als auch für die Stadt Aschaffenburg war die Eingemeindung ein Gewinn. Der Hafen beispielsweise konnte schließlich 1921 der Öffentlichkeit übergeben werden und ist auch 100 Jahre nach der Eröffnung ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Aschaffenburg.
Unser Foto zeigt die sportliche Familie Heeg aus Leider, elf Jahre nach der Eingemeindung. In der Mitte die Eltern Georg Heeg, geboren 1858, seine zweite Ehefrau Eva, geboren 1871, und die Kinder Joseph Theodor Fischer, Albert Heeg, Rosa Heeg und Karl Heeg.
Quellen:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg (Hrsg.): Fotoband „Leben in Leider. Portrait eines Stadtteils“, Aschaffenburg 1995, Kapitel „Eingemeindung“ nach Foto Nr. 157.
Zeitungsartikel: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Beobachter am Main 1901, Nr. 53, 2. März, S. 2; https://aschaffenburgzweinull.stadtarchiv-digital.de/wp-content/uploads/2021/03/2021-006-Eingemeindung-Leider-BaM-1901-Nr.-59-2.-Maerz-Seite-2.pdf
Foto Familie Heeg, in: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg (Hrsg.): Fotoband „Leben in Leider. Portrait eines Stadtteils“, Aschaffenburg 1995, Nr. 70.
Um wie viel Hektar hat sich dann 1900 die Stadtflöche vergrössert?
Hallo Herr Wagner,
mit der Eingemeindung von Leider (incl. Nilkheim) am 1. März 1901 kamen insgesamt 1.119 Hektar zur Stadt hinzu. Damit und mit der Eingemeindung von Damm (incl. Strietwald) am 1. Juli 1901 insgesamt 1.486 Hektar. Damit hatte die Stadt Aschaffenburg eine Fläche von insgesamt 3.626,50 Hektar.