1937 wurde die „Leiderer Hauptstraße“ zu Ehren des deutschen Agrarpolitikers in Ruhlandstraße umbenannt. Gustav Ruhland, geboren am 11. Juli 1860, gestorben am 4. Januar 1914, befasste sich mit Fragen des internationalen Getreidemarktes und reiste dafür mehrere Jahre mit eigens durch Reichskanzler Otto von Bismarck verschafften Mitteln weltweit durch die wichtigsten Getreideländer. Ruhland forderte, dass die Bauern die Preisbildung ihrer Produkte selbst regeln und sich international abstimmen sollten. Die Ruhlandstraße war einst die kürzeste Verbindung zwischen Aschaffenburg über Seligenstadt nach Frankfurt. Hier entlang entwickelte sich das ehem. Straßendorf und hier finden sich noch Reste der ältesten Bebauung von Leider.
Ruhlandstraße 4
Das wohl um 1800 entstandene ehem. Hirten- und Gemeindehaus steht giebelständig in der Ruhlandstraße. Es wurde als eingeschossiger Fachwerkbau auf einem niedrigen Bruchsteinsockel errichtet. Der Zugang zum Haus erfolgt über die Traufseite im Hof. Die Fachwerkkonstruktion ist nur auf der Giebelseite zu erkennen. Sie ist einfach, aber bewusst symmetrisch gestaltet. Auf der Seite zur Straße sind zwei Fenster und ein Giebelfenster. Die Traufwand scheint später massiv erneuert worden zu sein. Hier sind die Fenster und Türen mit Rahmen aus rotem Mainsandstein versehen. Das schmale Gebäude ist mit einem Halbwalmdach abgeschlossen.
Ruhlandstraße 40
Das Wohnhaus ist Teil einer ehem. bäuerlichen Anlage. Nach dendrochronologischen Untersuchungen wurde es 1711/12 errichtet. Es steht zweigeschossig und giebelständig in der Ruhlandstraße und ist vollständig als Fachwerkkonstruktion auf niedrigem Bruchsteinsockel errichtet worden. Es handelt sich um einen Stockwerksbau mit steilem Satteldach. Das Obergeschoss kragt auf der Hofseite geringfügig vor. Unter dem Gebäude befindet sich ein Keller mit Stampfboden und einer Holzbalkendecke. Der Keller ist über die Küche zugänglich. Ein Kellereingang von außen konnte nicht festgestellt werden, was als Hinweis dafür gilt, dass der Keller erst später gegraben wurde. Das Haus ist über die Traufseite im Hof erschlossen. Vom Flur aus gelangte man rechts in Stube und Kammer, links in den Stall und geradeaus in die Küche. Über eine ursprünglich einläufige Stiege erreichte man das Obergeschoss. Hier befanden sich zwei ähnlich große Räume, die mit Hilfe eines Kamins beheizbar waren. Bei dem Fachwerkgiebelhaus handelt es sich um eines der „besseren“ Wohnhäuser entlang der ehem. Hauptstraße im Dorf. Aufgrund des etwas ungewöhnlichen Grundrisses im Obergeschoss könnte es sich bei dem in direkter Nachbarschaft der Kirche errichteten Gebäude auch um das örtliche Schulhaus gehandelt haben.
Ruhlandstraße 44
Etwas von der Straße zurückgesetzt steht der wohl im frühen 18. Jh. errichtete zweigeschossige Halbwalmdachbau mit Zierfachwerkobergeschoss. Das Erdgeschoss des Wohnhauses ist massiv, die Fenster sind mit Rahmen aus rotem Mainsandstein versehen. Das Obergeschoss sitzt bündig auf dem Erdgeschoss. Zu den Zierfachwerkformen zählen profilierte Winkelhölzer, gewellte Fußbänder und Andreaskreuze. Die Fenster sind im Obergeschoss zu Zweier- und Dreiergruppen zusammengefasst. Das Gebäude ist von der Hofseite her zugänglich und unterkellert.
Ruhlandstraße 46
Nahe bei der Lukaskirche, an der Kreuzung Brunnengasse/Ruhlandstraße steht das zweigeschossige ehem. Schulgebäude aus rotem Sandstein mit einer fünfachsigen Trauffassade zur Straße. Die gleichmäßigen hochrechteckigen Fenster haben profilierte Rahmen und Sohlbänke mit Konsolsteinen. Die westliche Giebelseite hat keine Fenster, an der östlichen ist ein verputzter Anbau angefügt. Das Gebäude schließt mit einem Satteldach ab, auf dem an der Seite des westlichen Giebels ein Dachreiter mit Uhr im Jugendstil aufgesetzt ist. Dieser wurde um 1912 von Anton Vogt errichtet. Das Gebäude ist um 1900 entstanden und diente als Schulhaus, wird heute aber als Mehrfamilienwohnhaus genutzt.
Ruhlandstraße 72
Das seit 1936 von dem Unternehmen Johann Fischer Aschaffenburg Präzisionswerk genutzte Anwesen geht in seinen Ursprüngen in das Ende des 18. Jh. zurück. Es war ehemals ein Jesuitenhof, der aus vier Gebäudeflügeln bestand, die einen Hofraum umschlossen. Entlang der Straße stand der eingeschossige Walmdachbau mit mittiger Durchfahrt zum Hof. In den Seitenflügeln waren Ställe untergebracht, nördlich schloss das Grundstück mit einer Scheune ab. Es war von Gärten umgeben. Nach dem Kauf des Anwesens durch Johann Fischer 1928 wurde zunächst das Dachgeschoss des Wohnhauses ausgebaut. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Dachgeschoss durch Brandbomben, die am 21. Januar 1945 das Anwesen trafen, aus. An den übrigen Gebäuden entstanden Schäden an Dächern und Fenstern. 1955 erhielt der Flügel entlang der Ruhlandstraße durch das Aufsetzen eines Obergeschosses und des hohen Walmdaches sein heutiges Aussehen. Die Fenster des überkommenen Erdgeschosses sind mit Stichbögen und Schlusssteinen versehen, die des erneuerten Obergeschosses hingegen sind rechteckig. Die Traufe ist kräftig profiliert. Das Einfahrtstor zum Hof mit Radabweisern ist mit genuteten Quadern aus rotem Mainsandstein gerahmt und mit einem geraden, profilierten Sturz mit Schlussstein versehen.
Quelle:
Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 281-282.