Ensemble Ortskern
Das seit Ende des 12. Jh. bezeugte, ehemals ummauerte Straßendorf ist unmittelbar am Main gelegen. Es zeigt eine regelmäßige Hofreihung beiderseits der Hauptstraße. Die Wohnhäuser der Hofanlagen stehen, meist jeweils von einem Einfahrtstor begleitet, giebelständig zur Straße; die tiefen Grundstücke werden nach hinten durch die Scheunen abgeschlossen, die an der Mainseite einen noch weitgehend ungestörten Scheunenrand bilden. Die ältesten Häuser und Toranlagen entstammen dem 16./17. Jh. Das Straßenbild wird durch die spätbarocke Turmfront der ehem. Pfarrkirche beherrscht, deren östliche Teile bei einem Brand 1942 vernichtet wurden.
Ortsbefestigung
Die Ortsbefestigung von Obernau entstand wohl um 1440 unter Erzbischof Dietrich Schenk von Erbach (1390–1459, Erzbischof von Mainz 1434– 59). Neben der bereits bestehenden geschlossenen Scheunenfront war die Befestigung in erster Linie eine Ergänzung dazu und sollte weniger bewaffnete Feinde abhalten, sondern die Dorfbewohner eher vor nächtlichen Dieben und Raubgesindel schützen. An den drei Landseiten bestand die Befestigung aus z. T. nur hüfthohen Garten- und Terrassenmäuerchen, die durch Pfähle, Stangen und Latten erhöht das Überspringen durch Reiter erschweren sollten. An beiden Ortseingängen waren Torhäuser, die bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen und erst bei Anbruch des Tages wieder geöffnet wurden. Einfachere Tore befanden sich in der Main- und Kirchgasse. Eine Mauer entlang der Mainseite (wie z. B. in Niedernberg) hat es in Obernau nicht gegeben. Die Mauer am Pfarrgarten und zwei kurze Mauerstücke am Mainweg sind lediglich Ansätze einer mainseitigen Befestigung. Zum einen boten wohl die Zäune und terrassierten Gärten ausreichend Schutz und zum anderen fürchtete man eher von der Landseite Gefahr. Die beiden Rondelle an den Enden der Dorfmauer am Ufer des Mains dienten einerseits als erhöhte Aussichtspunkte und andererseits gewissermaßen als abwehrende Attrappe, da nicht einsehbar war, dass dahinter die Dorfmauer bereits aufhörte.
Nach dem Ende des Mainzer Erzbistums 1803 begannen Verfall und Abbruch der Ortsbefestigung. Das Obere Tor (bei Hauptstraße 4) wurde 1806 abgebrochen. Das Untere Tor blieb noch bis 1873 bestehen, weil es in Zeiten von Wohnungsmangel notdürftig erhalten wurde und als Wohnung diente. 1933/34 wurde im Rahmen des Ausbaus der „Neuen Straße“ (Maintalstraße) ein weiterer Abschnitt der Ortsbefestigung beseitigt. Bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen zweiten Friedhofserweiterung wurde auch ein Stück der alten Friedhofsmauer abgebrochen, die Teil der Ortsbefestigung war. Bei den heute noch erhaltenen Mauerresten handelt es sich zum überwiegenden Teil um Rekonstruktionen. Von der ursprünglichen Befestigungsanlage ist das untere Rondell mit anschließendem Mauerstück erhalten.
Quelle:
Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 288.