Bis ins 20. Jahrhundert hatte Aschaffenburg mehrere Stadttore innerhalb der Stadtmauer. Während die Stadtmauer an einigen Stellen (z.B. im Park Schöntal) noch vorhanden ist, sind die Stadttore – bis auf das Sandtor und das Theoderichstor am Main – aus dem Stadtbild verschwunden. Ganz verschwunden? – Nicht ganz. Vom Herstalltor ist heute noch der Herstallturm zwischen Weißenburger- und Friedrichstraße übrig.
Erstmals wird eine „Herstallpforte“ am 12. Januar 1344 erwähnt. Das eigentliche Herstalltor bestand aus einem viereckigen Turm. Er hatte ein zweites zur Goldbacher Straße gerichtetes Tor, das zwei runde Türme miteinander verband. Die Bauweise, durch welche ein Stadttor durch vorstehende runde Türme verstärkt wurde, nannte man „Barbacan“ (Verteidigungsbau); sie kam erst im 14. Jahrhundert auf, was sehr gut zum oben erwähnten Datum passt. Das Herstalltor hatte noch Pechnasen, die später nicht mehr eingebaut wurden.
Durch die Jahrhunderte war das Stadttor nicht nur Kontrollstelle – um nicht erwünschte Personen abweisen zu können – sondern auch Gebühreneinnahmestelle und Gefängnis. An das Tor angebaut war ein kleines Wachthaus. Dort, im zweiten Stock, hatte der Torwächter seine Wohnung. Das Herstalltor war mit zwei Wachleuten der Landwehr und einem Torpförtner besetzt. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte das Tor noch keine Toilette, sie wurde erst 1804 eingebaut. 1801 führte die Stadt Aschaffenburg eine Sperrzeit ein. Niemand durfte in den Abend- und Nachtstunden ein- oder ausgehen. Eine Ausnahme bestand ab 1804/05 für die Bewohner der neu erbauten Kaserne an der Ecke Goldbacher-/Weißenburger Straße, die außerhalb der Stadtmauer lag.
In den 1860er Jahren hatte sich die Situation am Herstalltor (Haus Nr. D 55) stark verändert. Vom 1854 eröffneten Bahnhof ging der Personen- und Güterverkehr überwiegend durch das Herstalltor. Außerhalb der Stadtmauer hatten sich die ersten Fabriken angesiedelt, der Verkehr mit Fuhrwerken aus Glattbach, Goldbach und Hösbach hatte stark zugenommen. Größere Fuhrwerke, die das Herstalltor in Richtung Roßmarkt passieren wollten, blieben an den Ecken hängen. Das Herstalltor war somit zum Verkehrshindernis geworden. Die Regierung von Unterfranken und Aschaffenburg legte schon 1864 die Abrisspläne vor. Am 30. Oktober 1865 entschied der Stadtmagistrat, das Herstalltor abzureißen. Schließlich wurde es im September 1869 abgebrochen. Das Torpförtnerhaus sowie ein Stück der Schöntalmauer am Herstalltor folgten 1871.
Glücklicherweise hat man den Herstallturm stehen lassen, der zum Wahrzeichen für Aschaffenburg geworden ist.
Quellen:
Monika Ebert: Aschaffenburger Häuserbuch VI, Aschaffenburg 2009, S. 67-76, S. 151.
Foto Herstalltor um 1867:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung, Aufnahme Joseph Samhaber.
Foto Herstallturm am 11. Februar 2022:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Matthias Klotz.
Kleine Korrektur.
Neben dem Theoderichstor am Main ist auch noch das Sandtor erhalten.
Hallo Heiko, das stimmt, über das Sandtor habe ich noch nicht geforscht. Ich werde die Änderung veranlassen. Vielen Dank!