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Bubengeschichten vom Godelsberg – der Lufthof

Am Beginn der Schmerlenbacher Straße, also nach dem Zeughaus und dem sich anschließenden oberen Fasaneriewäldchen mit dem sog. „Luginsland“ (Ausblick unterhalb des Zeughauses Richtung Johannesberg / Kugelberg) in Richtung Schellenmühle / Schmerlenbach, liegt linker Hand am Lufthofweg, Richtung Kleingartenanlage Fasanerie, der „Lufthof“. Als Bub bin ich mit meinen Spielkameraden 1963 / 1966 oft über die Kippenburg hierhergezogen. Denn dieses, damals langsam verfallende Hof-Ensemble war einfach ein toller Abenteuerspielplatz.

Direkt hinter dem hohen Eingangstor war ein zentraler gepflasterter Platz, in dessen Mitte ein schöner alter Lindenbaum stand. Dahinter Richtung Schellenmühle lag das Haupthaus, links und rechts davon waren Scheunen und verschiedene Stallungen. Dieser Hof wurde damals noch bewirtschaftet, aber  er war bereits in einem bedauerlichen, fast schon verwahrlosten Zustand. Es grunzten zwar immer noch ein paar freilaufende Schweine und gackernde Hühner liefen Körner pickend umher. Auch sah man den geschäftig umherwieselnden  Bauer – einen alten, stark hinkenden und ärmlich bekleideten Mann, der hier mit seinem Hund alleine lebte. Von meinem Vater wusste ich, dass dieser Hof wohl in den 1920 / 1930-Jahren schon viel bessere Zeiten erlebt hatte, nämlich auch als florierende Gastwirtschaft bzw. Restauration.

Oberhalb der Hofgebäude, Richtung Schmerlenbacher Straße, befand sich ein damals noch niedrig bewachsener, parkähnlich gestalteter Garten mit einer Quelle – er war eingezäunt. Aber natürlich fanden wir eine Lücke in dem schon brüchigen Zaun, um dort hinein zu gelangen. Diesen Garten empfand ich damals als „verwunschenes idyllisches Paradies`chen“, das im Frühling übersäht war mit tausenden weißen Buschwindröschen. Fast in der Mitte gab es eine kleine gefasste Wasserquelle mit einem sich anschließenden, fließenden Bächlein; darüber ein kleines steinernes Brückchen. Es waren im ganzen Garten schmale Wege angelegt – sich romantisch schlängelnd mit steinernen Bänkchen am Rand. Kleine Grünpflanzungen lockerten gemeinsam mit niedrigen Bäumen alles auf und machten ihn zu einem irgendwie geheimnisumwitternden „Mini-Park“, der einmal mit viel Detailliebe angelegt worden sein musste, aber langsam verwilderte. Also ein Ort zum Entdecken und Träumen – vor dem Hintergrund des alten, langsam verfallenden Hofes mit echtem morbiden Charme – wie aus einer „Spessartsage“!

Natürlich warteten wir oft ab, bis der alte Bauer zusammen mit dem Hund den Hof verließ, um dann in die Scheunen zu schleichen, wo es unendlich viel Interessantes zu sehen gab: alte Pferdekutschen, alte Ackergerätschaften usw. Da wir nicht erwischt werden wollten, wurde bei diesen Aktionen immer einer von uns  als Wache bestimmt, denn ab und zu wurden wir ja schon von dem „Alten“ erwischt und von ihm wütend gestikulierend und hinkend vertrieben. Denn manches Mal fanden wir ja auch ein paar Hühnereier, die wir sorgsam in unseren Brotbeuteln verstauten – also „klauten“. Mit durchaus schlechtem Gewissen zogen wir dann aber auch wieder schnell mit dieser „Beute“ ab – meist wieder hoch auf die Kippenburg. Diese war damals noch „in unserer Hand“, denn der Karnevals-Verein „Stadtgarde“ war noch nicht Dauerpächter. Sie war auch noch nicht so baulich verändert, gesichert und eingezäunt wie heute. Wir hatten also auch Zugang in den Turm und auf die obere, damals noch nicht überdachte Plattform. Dort oben fühlten wir uns sicher und brutzelten unsere geklauten Hühnereier – oft zusammen mit einer Dose „Corned Beef“ von amerikanischen GI´s (aber das ist eine andere Geschichte).  Kein Problem – dank unserem „Esbitkocher“, den Fahrtenmessern und dem Feldgeschirr.

Ach – es war `ne schöne, unbeschwerte Zeit mit vielen Freiräumen – die ich selbstverständlich nicht verklärt sehe – oder doch etwas!?

Nachtrag: Dort, wo einmal das o.g. Gärtchen war, steht  heute nur noch ein verbuschtes und verwahrlostes Wäldchen – lediglich die Quelle ist noch zu erkennen. Aber der Hof wurde wenigstens von der Stadt Aschaffenburg als Eigentümerin vor dem Abbruch gerettet und von dem aktuellen Pächter seit 1982 (Karneval-Klub-Kakadu – CCC) wieder fein herausgeputzt und renoviert. Seit einigen Jahren finden dort auch wieder öffentliche Lufthoffeste statt – hoffentlich werden diese nach „Corona“ auch wieder stattfinden!?

K.M. 2020

Kommentare

  1. sehr gute Geschichte!
    ich kann mich noch erinnern, dass der ehemalige Besitzer (war es nicht ein von…..??) mit dem Einspänner in die Stadt fuhr, da wir nach dem Bahnübergang des Umgehunggleises unseren Garten hatten, versuchten hinten auf die Kutsche zu setzen und als der Kutscher es merkte , mit der Peitsche nach uns schlug und manchmal auch traf auweh

    1. Vielleicht wird es Sie interessieren, dass in einem Plan, gezeichnet von Joseph Emanuel Herigoyen um 1777 im Bereich der von Ihnen erwähnten Quelle nicht nur eine Weggabelung eingezeichnet ist, sondern auch ein Flurkreuz zwischen zwei Bäumen. Zumindest als Planzeichen ist dieses Kreuz im Urkataster um 1845 dort nicht mehr vorhanden. Es erscheint aber eingezeichnet an einem Grundstück, das damals Adam Kipp gehörte und auf dem heute das Anwesen Lug ins Land Nr. 9 liegt.
      Heute steht ein Flurkreuz nahe der Kastanienallee. Es war dort weder 1845 noch 1777, trägt aber die Jahreszahlen 1681 und 1833. Jetzt sind Sie dran….

  2. Der Lufthof hatte im 19. Jh. den Namen Röderbachshof. Unter diesem Stichwort ist im Internet zum Lufthof einiges zu finden. Der Hof stammt wohl aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert. In den Plänen der Fasanerie um 1778 ist er noch nicht enthalten. Eine Versteigerungsanzeige datiert vom 6. Februar 1825.

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