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Revolution und Räterepublik in Aschaffenburg 1918/19 (Teil 3)

Fortsetzung von: Revolution und Räterepublik in Aschaffenburg 1918/19 Teil 1 und Teil 2:

Das Ende der Arbeiter- und Soldatenräte war durch den Ausgang der Wahlen Anfang 1919 eigentlich bereits besiegelt, doch die Revolution sollte sich noch einmal radikalisieren, als Kurt Eisner schließlich den Schüssen seines Attentäters, des jungen Anton Graf von Arco auf Valley, zum Opfer fiel. In der Aschaffenburger Zeitung wurde sein Tod am Folgetag beinahe hämisch kommentiert: „Eisner war ein Phantast in des Wortes wahrster Bedeutung, dabei von einem maßlosen Ehrgeiz befallen, sodaß man ihn als einen krankhaften Fanatiker bezeichnen konnte, der für sein Tun und Treiben nicht verantwortlich zu machen war. Von seinen Ideen für die Diktatur des Proletariats war er derart überzeugt, daß er glaubte, der Menschheit den größten Dienst zu tun, wenn er sie mit allen Mitteln zur Verwirklichung brächte.“ Wenn auch die Bewertung von Eisners Person nicht den belegbaren Tatsachen entspricht, so muss ein weiterer Kommentar der Redaktion als zutreffend bezeichnet werden: „Die Ermordung Eisners war ein Flammenzeichen für die Erhebung seiner Anhänger.“ [1]

In München etablierte sich als Folge der Ereignisse eine Räterepublik linker Intellektueller, die nach nur einer Woche von einer kommunistischen Führungsriege abgelöst wurde, bis die Reichswehr am 1. Mai in München einmarschierte und die Revolution blutig beendete. In Aschaffenburg übernahm ebenfalls der Arbeiter- und Soldatenrat nun vollends die Kontrolle über die Regierungsgeschäfte, agierte mit Blick auf München jedoch „vorsichtig und abwartend.“ [2] Die Revolution nahm nochmals Fahrt auf und ein Aktionsausschuss übernahm an der bayerischen Peripherie die Amtsgeschäfte. Am Tag der Beerdigung Eisners, am 26. Februar, kam es zum Konflikt zwischen dem Arbeiter- und Soldatenrat und Stiftspfarrer Ignaz Hergenröther (1840-1934), der sich weigerte, die Glocken zum Andenken an den toten Revolutionär zu läuten und den Schlüssel zur Kirche in seinem Bienenhäuschen versteckte. [3] Darüber hinaus hatte der Arbeiter- und Soldatenrat Schwierigkeiten mit Röder, dem Redakteur des Beobachters am Main, der die Entwicklungen immer wieder kritisch beäugte und die Räte mit Kritik überzog.

Um die negative Wirkung von schlechter Presseberichterstattung wissend – wie im Fall Eisner schon gut zu beobachten gewesen war –, versuchte der Arbeiter- und Soldatenrat seit Anfang Februar 1919 eine negative Wahrnehmung seiner Aktivitäten zu verhindern. Man einigte sich mit Röder schließlich auf die folgenden Punkte:

1.) Die Redaktion verpflichtet sich den Kampf gegen die revolutionäre Regierung und die Arbeiter- u. Soldatenräte nicht in einseitig verhetzender und die Räte heruntersetzender Form zu führen.

2.) Die Redaktion verpflichtet sich die Berichte über die städt. Körperschaften in unparteischer (sic!) allen Rednern gerecht werdender Form zu bringen und die Berichte selbst von persönlicher Stellungnahme des Berichterstatters frei zu lassen.

3.) In Beschwerdefällen entscheidet eine Kommission. [4]

Die Räte monierten in einem Schreiben, das zudem abgedruckt werden sollte, dass „[v]om Aschaffenburger Zentrumsblatt […] seit Ausbruch der Revolution die Errungenschaften und Träger der Revolution so in den Schmutz gezogen [würden], dass darüber eine begreifliche Erbitterung unter den Arbeitern, Soldaten und [der] freiheitlich gesinnten Bevölkerung Aschaffenburg[s] Platz gegriffen hat.“ [5] Zudem sollen etwa 3.500 Demonstrantinnen und Demonstranten zum Zeitungsgebäude marschiert sein, um eine öffentliche Erklärung der Redaktion zu erzwingen. Röder weigerte sich, diesen Bericht abzudrucken und drängte auf die Einberufung einer Schlichtungskommission: „Ohne auf den Bericht selbst einzugehen, glauben wir dessen Aufnahme ablehnen zu müssen. […] So wenig ein sozialdemokratisches Blatt Propagandaartikel für eine bürgerliche Partei veröffentlicht, so wenig kann das umgekehrt verlangt werden.“ [6] Den Forderungen des Arbeiter- und Soldatenrates wurde eine klare Absage erteilt, denn [d]er „Anhang“ des Beobachter ist im wesentlichen eine politische Partei, welche hier und im Lande die stärkste bürgerliche Partei [Zentrum, F.J.] darstellt; sie muss und wird es ebenso wie wir selbst mit aller Deutlichkeit von sich weisen, sich grundlos mit neunen Angriffen bedroht zu sehen. So wenig wir dem A.u.S. Rat das Recht bestreiten, für die Spartakusleute einzutreten, ebenso beanspruchen wir für uns das Recht, in vollster Freiheit für unsere Überzeugung einzutreten. Dabei kann ebensowenig von einer Verhetzung die Rede sein wie wir im umgekehrten Falle nicht von einer solchen sprechen. [7]

Es zeichneten sich also bereits früh Konfliktlinien ab, die belegten, dass nicht alle Aschaffenburger damit einverstanden waren, dass der Arbeiter- und Soldatenrat die Herrschaft über die Stadt für sich beanspruchte. Am 6. April fand schließlich eine Kundgebung auf der Großmutterwiese statt, bei der lokale Vertreter der USPD wie Jean Stock, aber auch die aus München angereisten Fritz Sauber (1884-1949) und August Hagemeister (1879-1923), die auch bei der Ausrufung der Räterepublik in Würzburg beteiligt waren, für die Ausrufung einer Räterepublik plädierten. Zwei Tage später, am 8. April, wurde diese schließlich ausgerufen, sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein.

Als sich das 2. Jägerbatallion am 9. April schließlich gegen den Rat stellte, verlor dieser seine Macht, wobei es nicht zu blutigen Ausschreitungen und Kämpfen wie in der Landeshauptstadt kam. Am 13. Mai wurden die Führungspersönlichkeiten des Aschaffenburger Arbeiter- und Soldatenrates schließlich festgenommen und wegen Beihilfe zum Hochverrat angeklagt und verurteilt (u.a. Jean Stock). [8] Trotz des Verlusts der Führungsriege bestand der Arbeiter- und Soldatenrat aber noch parallel bis zur offiziellen Auflösung im August 1919.

Der Beitrag wurde auf der Karte an der Deschstraße 13 verortet, da an diesem Ort, der Großmutterwiese, am 6. April 1919 die oben genannte Kundgebung stattfand.

[1] J[ean] S[tock], Ein blutiger Tag in München, in: Aschaffenburger Zeitung, Nr. 44, Samstag, 22. Februar 1919, S. 1.

[2] Carsten Pollnick, Revolution und Räterepublik Aschaffenburg in der bayerischen Räterepublik 1918/1919, Aschaffenburg 2010, S. 10.

[3] Stadtarchiv Aschaffenburg (Hrsg.), 100 Jahre Revolution in Bayern und Aschaffenburg, Aschaffenburg 2018.

[4] Vereinbarung zwischen Arbeiter- und Soldatenrat und Beobachter am Main, 7. Februar 1919, SSAA, SBZ I, Nr. 1208.

[5] Schreiben des Arbeiter- und Soldatenrates Aschaffenburg, Betr. Die Aschaffenburger Arbeiter und Soldaten gegen die Verfälschung der öffentlichen Meinung, SSAA, SBZ I, Nr. 1208.

[6] Beobachter am Main an den Stadtmagistrat der Stadt Aschaffenburg, Aschaffenburg, 10. Februar 1919, SSAA, SBZ I, Nr. 1208.

[7] Beobachter am Main an den Arbeiter- und Soldatenrat Aschaffenburg, 24. März 1919, SSAA, SBZ I, Nr. 1208.

[8] Anlage zu Rudi Stock, 20. August 2003, SSAA, Zeitzeugengespräch Nr. 2: „Aufgrund seiner politischen Betätigung für die Linken wurde er Mitte Mai 1919 verhaftet und von einem Standgericht wegen Beihilfe zum Hochverrat zu einem Jahr und sechs Monaten Festungshaft verurteilt. Doch erreichte er schließlich, daß die Strafe im Hinblick auf seine angegriffene Gesundheit zur Bewährung ausgesetzt wurde.“ S.2

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