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Strickergasse

Die Strickergasse beginnt heute hinter der Stadthalle am Schloßplatz, verläuft über den Agathaplatz und endet an der Erthalstraße. Einst war die Gasse die Verlängerung der Steingasse jenseits der (1894 entstandenen) Luitpoldstraße und damit Teil des Verkehrsweges aus der Stadt Richtung Hanau, Frankfurt und Mainz, der an der Straßengabelung „Scharfeck“ begann. Die Gasse mündete an der Stelle, wo sich bis 1783 der Strickerturm als Teil der Stadtmauer befand. Ihren Namen erhielt die gerade verlaufende, kleine Gasse laut Johann Schober (1906) wegen der Seiler, die hier ihre Stricke herstellten. Die Bezeichnung des ganz in der Nähe, nämlich entlang der heutigen Friedrichstraße verlaufenden Seilergangs beruht auf derselben Funktion. Doch während in den Häusern am Seilergang noch im 19. Jh. Seiler nachweisbar sind, sind sie als Bewohner der Strickergasse durch Archivalien nicht belegt, ebenso wenig Strumpf- und Hosenstricker, nach denen – laut Aschaffenburger Adressbuch von 1933 – die Gasse ihren Namen erhalten haben soll.

Strickergasse 11

Das um 1730 errichtete Bürgerhaus mit bemerkenswerter Stuckfassade war der Wohnsitz der Aschaffenburger Maler- und Stuckateurfamilie Bechtold. Gebaut hat es wohl Johann Jakob Konrad Bechtold (1698–1786), Tafel- und Freskenmaler. Das Anwesen blieb bis 1829 Eigentum der Familie und ist daher noch heute unter dem Namen „Bechtoldhaus“ bekannt. Das Anwesen erstreckte sich ursprünglich auf die Grundstücke Lit. B 73 und B 74. Beide Gebäude waren nur durch eine einfache Wand voneinander getrennt und verfügten über gesonderte Eingänge. Eigentümer Christian Winkler vereinte 1842 beide Hausteile miteinander, indem er den Eingang von Lit. B 73 zu einem Fenster und den dahinterliegenden Hausgang zu einem Zimmer umbaute. Der Stadtrat genehmigte 1927 einen Zuschuss zur Renovierung der Fassade in Ölfarbe und die Wiederherstellung zweier Dachgauben. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Anwesen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Rückgebäude wurde völlig zerstört; das Vorderhaus wurde zwar stark beschädigt, blieb aber in seiner äußeren Kubatur soweit erhalten, dass ein Wiederaufbau nicht ausgeschlossen war. Im Februar 1949 wurde zunächst ein Notdach errichtet. Doch der Erhalt des schwer geschädigten Anwesens wurde für die letzte Eigentümerin zur untragbaren Last, sodass sie es 1951 an den Malermeister Josef Giegerich verkaufte. Dieser ließ es unter der Bauleitung von Architekt Georg Ackermann, der bereits 1946 ein Aufmaß gezeichnet hatte, wieder aufbauen. Das zweigeschossige Bürgerhaus steht traufständig zur Strickergasse. Die mit Stuckdekoration überaus reich geschmückte Fassade ist drei Fensterachsen breit. Den Abschluss bildet ein Mansarddach mit Zwerchhaus und flankierenden Gauben. Die Eingangstür befindet sich auf der linken Seite und ist etwas tiefer liegend. Dieser Eingang müsste nach der Zusammenlegung der ursprünglich zwei Hausteile 1841 entstanden sein. Daneben sind zwei hochrechteckige, sandsteingerahmte Fenster gesetzt, dazwischen Lisenen. Das leicht überstehende, besonders reich geschmückte Obergeschoss hat drei Fenster, von denen das mittlere im Brüstungsbereich durch ein plastisch hervortretendes, vasenartiges Gebilde aus Stuck mit Muschel und seitlichen Engelsköpfen betont wird. Über dem Sturz ist ein von Putti gehaltenes Medaillon mit den Initialen der Bechtolds angebracht. Die Brüstungsfelder der äußeren Fenster sind mit Bandelwerk versehen. An den Gebäudekanten befinden sich Stucklisenen mit Karyatiden. Das Traufgesims ist mehrfach profiliert und im Bereich der Mittelachse und über den Kapitellen der Karyatiden verkröpft. Darüber sitzt das Zwerchhaus mit einem Fenster. In der Mitte des geohrten Fensterrahmens ist ein Engelskopf, darüber eine Kartusche mit Rollwerk und Girlanden angebracht. Im Giebel des Zwerchhauses sitzt eine große Muschel. Das Bechtoldhaus mit aufwendiger Stuckfassade und reichem Zierrat ist das einzige Beispiel eines Bürgerhauses dieser Art in Aschaffenburg.

Quelle:

Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 180-181.

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