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Rathausgasse

Die nach dem seit 1651 an der Ecke zur Dalbergstraße gelegenen Rathaus benannte kurze Verbindung von Dalbergstraße und Stiftsgasse gegenüber der Schloßgasse wurde im 16. Jh. „Bei der Pfistorei“ genannt, da die Stiftspfisterei an die heutige Rathausgasse angrenzte. Zuvor wurde der Abschnitt auch mit „Bei der Artauken“, nach den in diesem Bereich verlaufenden Abzweigungen der Stiftsbrunnenleitung, bezeichnet. Die heute noch vorhandene hofartige Erweiterung zwischen den Anwesen Rathausgasse 4 und 10, seit etwa 1800 „Bohnenhof“ genannt, diente bis ins 18. Jh. als rückwärtige Zufahrt zu den Grundstücken Dalbergstraße 35 und 37 und war von Ställen und Nebengebäuden, aber noch nicht von Wohnhäusern gesäumt.

Rathausgasse 4

Das repräsentative Bürgerhaus wurde 1539 von dem Mainzer Hofkammerrat Martin Fladt aus Dieburg neu errichtet. Er hatte zuvor das seit dem 14. Jh. an dieser Stelle befindliche Haus erworben und abgerissen. Obwohl das neue Bürgerhaus im Laufe der Zeit mehrfach den Besitzer wechselte, wurde es kontinuierlich als Wohnhaus genutzt und erfuhr nur wenige bauliche Änderungen; es ist daher eines der anschaulichsten Beispiele eines städtisch-bürgerlichen Wohnhauses des 16. Jh. in Aschaffenburg. 1870 ließ Seifenfabrikant Georg Lorenz Umbauten an dem Gebäude vornehmen. Er erneuerte die hofseitige Giebelwand in Mauerwerk und glich die Untergeschosse der Flucht des Obergeschosses an. Außerem ließ er einen neuen Kamin aufführen sowie einen Stall und eine 1820 errichtete Küche im Hof abbrechen. Ein Jahr darauf wurden die Abstände der je zwei gekuppelten Fenster der Hauptfassade vergrößert und der spitzbogige Hauseingang durch einen mit geradem Sturz ersetzt.

1944 wurde nach mehreren Luftangriffen etwa die Hälfte des Dachwerks zerstört, Kamine, Wände, Fenster und Türen wurden beschädigt. Bis 1946 konnte das Haus in einen bewohnbaren Zustand gebracht werden und wurde, nachdem es 1962 in städtischen Besitz überging, in den Jahren 1976/77 grundlegend saniert. Dabei hat man das Fachwerk des Giebels zur Rathausgasse freigelegt und stellenweise repariert. Die inneren Grundrisse wurden in jeder Etage geändert. Das dreigeschossige, giebelständig zur Rathausgasse stehende Bürgerhaus bildet gemeinsam mit den Einzeldenkmälern Rathausgasse 10 und Stiftsgasse 8 einen kleinen Platzraum zwischen Sitzungssaal und Westfassade des Rathauses und trennt diesen gleichzeitig von der Dalbergstraße ab. Erdgeschoss und Traufwände sowie seit 1871 auch die westliche Giebelwand sind massiv, die Fachwerkobergeschosse der Giebelfassade kragen kräftig aus. Es handelt sich um ein konstruktives Sichtfachwerk, bei dem die Schmuckformen aus der statisch bedingten Stellung der Balken gewonnen werden. Harmonische Proportionen verleihen der Fassade einen repräsentativen Charakter. Das steile Satteldach mit kleinem Schopfwalm bestimmt die Kubatur des Gebäudes. Der Eingang befindet sich im Erdgeschoss auf der Seite zu Rathausgasse 2. Der Gewölbekeller unter dem Gebäude wird durch zwei Kellerfenster rechts neben dem Eingang belüftet. Darüber sind zwei weitere kleine Fenster gelegen. Seit der Sanierung des Gebäudes 1976 gibt es in den Obergeschossen der Giebelseite Gruppen von fünf Fenstern, im Giebel ein gekuppeltes und darüber ein rundbogiges Fenster. Auf der Unterseite des Schopfwalmes im Giebel befand sich die Jahreszahl 1539. Diese wiederholt sich auf dem originalen Schlussstein des ehem. Eingangs (heute im Museum) und wird daher als Baujahr angenommen.

Rathausgasse 10

Das Wohnhaus, ein zweigeschossiger giebelständiger Satteldachbau, war als Stall des stiftischen Vikariehauses (Stiftsgasse 8) bis zum Beginn des 18. Jh. noch Teil des sog. „Bohnenhofes“ hinter dem Anwesen Dalbergstraße 35. Als eigenständiges Wohnhaus wurde es 1730 erwähnt. 1878 ließ der Schreinermeister Hohenberger sein Anwesen um eine Schreinerwerkstatt vergrößern, wodurch das äußere, noch heute bestehende Erscheinungsbild des Wohnhauses entstand. Das Giebelhaus mit massivem Erdgeschoss und verputztem Fachwerkobergeschoss war ursprünglich drei Fensterachsen breit. Der Eingang befindet sich auf der Seite zum Anwesen Stiftsgasse 8. Das Gebäude wurde auf seiner Nordseite um einen zweigeschossigen Anbau erweitert, sodass die Giebelseite seitdem über vier Achsen verfügt. Der Anbau ist über einen separaten Eingang auf der rechten Seite zugänglich. Die Traufseite ist drei Achsen lang, die Fenster des Erdgeschosses sind breitformatig, die des Obergeschosses gekuppelt. Der Anbau schließt mit einem Flachdach ab, welches heute als Dachgarten genutzt wird. Unter dem hinteren Bereich des Gebäudes liegt ein Gewölbekeller, der den ältesten Bestandteil des Hauses bildet. Durch Luftdruck und Artillerie entstanden 1944/45 Schäden am Dach, an einzelnen Zwischenwänden sowie allen Fenstern des Hauses. 1990 wurde das Anwesen einer umfassenden Sanierung unterzogen und dabei seine Bausubstanz untersucht und dokumentiert. Im Zuge der Maßnahme wurde im rückwärtigen Bereich ein zweiter Anbau angefügt.

Quelle:

Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 111-112.

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