Der Bau der Luitpoldstraße wurde in Folge der Errichtung der Luitpoldschule erforderlich. Die Straße entstand 1894 als Verbindung zwischen Schloßplatz (ehemals Marktplatz) und Friedrichstraße. Die relativ kurze, in nordsüdlicher Richtung verlaufende Straße wurde in der ersten Zeit ihres Bestehens noch Schulstraße genannt. Dann erhielt sie den Namen des Sohnes von König Ludwig I. von Bayern, Luitpold. Dieser wurde 1821 in Würzburg geboren, war zwischen dem 10. Juni 1886 und dem 12. Dezember 1912 Regent von Bayern und residierte im Schloss Johannisburg. Der Prinzregent galt als volksnah. Er richtete ein Jahr vor seinem Tod die „Prinzregent-Luitpold-Stiftung für arme Kinder in Aschaffenburg“ ein, die nach 1928 in den „Vereinigten Armenstiftungen“ aufging. Um die Jahrhundertwende glich die Luitpoldstraße einer Prachtstraße mit repräsentativen Bauten der Bayerischen Volksbank, der Aschaffenburger Aktienbierbrauerei, der Knaben- und Mädchenschulhäuser, des Bezirksamtes und diverser Privatbauten. In der Presse wurde sie als „Boulevard“ bezeichnet. Diesen Charakter hat der Straßenzug nach dem Krieg nicht aufrechterhalten können. Aus der Entstehungszeit der Straße sind zwei Bauten erhalten.
Luitpoldstraße 4a
1897 erwarb der Baumeister Adam Schneider den Bauplatz an der Luitpoldstraße. Am 25. Februar 1898 wurde ihm der Bau eines Wohn- und Geschäftshauses genehmigt. Der im März begonnene Bau war im Dezember desselben Jahres fertiggestellt. Kurz darauf verkaufte Adam Schneider das Haus an den Schneider Fritz Oberle. Am 1. Dezember 1919 richtete Karl Schmitz aus Mainz, der Gründungschef der Aschaffenburger Firma „Betten-Schmitz“, im Erdgeschoss des Gebäudes sein erstes Geschäft ein. Neun Jahre später, 1928, übernahm Anton Scheibler, Dekorateur, den Laden. 1932 ließen die Geschwister Hohe als neue Eigentümer des Anwesens das Erdgeschoss für ihren Schuhladen umgestalten und auf dem eingeschossigen Rückgebäude ein 2. Geschoss erbauen, in dem eine Magdkammer eingerichtet wurde. Im Zweiten Weltkrieg fügten Luftdruck und Artillerie dem Gebäude starke Schäden zu. Es wurde 1949 instand gesetzt, wobei die Dachgauben erneuert wurden. 1961 fügte man auf der Hofseite eine weitere Gaube mit Dachterrasse an. Die letzte Fassadenrenovierung fand 1992 statt. Dabei erfolgte die Rekonstruktion des Holzbalkons im 3. Obergeschoss. Der viergeschossige Satteldachbau steht, flankiert von zwei Nachbargebäuden, traufständig in der Luitpoldstraße. Das Erdgeschoss besteht aus roten Sandsteinen und ist mit rustizierten Bändern dekoriert. Zwischen zwei rundbogigen Eingängen befinden sich drei Schaufensteröffnungen mit Korbbögen, Keil und Schlussstein. Über dem Erdgeschoss ist in der Fassadenmitte ein zweigeschossiger Erker auf verzierten Konsolen mit dreiteiligen Fenstern angebracht. Dieser mündet im 3. Obergeschoss in einem überdachten Holzbalkon mit niedriger Brüstung. Wie aus den Bauplänen ersichtlich ist, befand sich über diesem Balkon ursprünglich ein Zwerchgiebel mit Zwillingsfenster, Gesims, Rundfenster und abschließendem Dreiecksgiebel, Vasen und Obelisken sowie Zierrat der deutschen Renaissance. Seitlich des Erkers sitzen gekuppelte Fenster auf Geschossgesimsen. Über den Fenstern des 1. Obergeschosses sind korbbogenförmige, mit reich verzierten Reliefs aus Naturstein gestaltete Felder ausgebildet. Alle Fenster sind mit Gewänden aus rotem Sandstein gerahmt. Das Mauerwerk ist aus hellen Verblendsteinen gefertigt. Bei der Instandsetzung des Gebäudes nach dem Krieg wurde der Zwerchgiebel über dem Erker in der Fassadenmitte nicht wieder aufgebaut. Der Zugang zum Gebäude erfolgt über den Eingang auf der linken Seite. Das Treppenhaus liegt auf der zum Hof gerichteten Seite. Von einem Mittelgang aus sind die einzelnen Zimmer erschlossen.
Luitpoldstraße 4b
Das nach dem Bau der Luitpoldstraße neu entstandene Grundstück übernahm 1898 die Wailandt’sche Druckerei A.G. Aschaffenburg. Das Gelände umfasste das Anwesen Treibgasse 11 und fast den gesamten rückwärtigen Teil von Treibgasse 9 sowie einen Teil des ehem. Bezirksamtsgeländes Strickergasse 2. Im gleichen Jahr wurde auf dem Grundstück der Neubau eines Druckereigebäudes und eines Wohnhauses genehmigt. Planer und Bauherr war Adam Schneider. 1903 wurde der Motorraum des Druckereigebäudes an der Seite zum Grundstück Strickergasse 16 vergrößert und 1906 der Setzerraum in nördlicher Richtung erweitert. 1911 erhielt Karl Heinrich die Nutzungserlaubnis, in dem Haupthaus ein Café zu betreiben. Zu diesem Zweck wurde im Erdgeschossbereich auf der zur Luitpoldstraße gerichteten Seite eine zweiflügelige Eingangstür eingebaut. 1927 wurde das Anwesen im rückwärtigen Bereich vergrößert und das bestehende Druckereigebäude in östlicher Richtung erweitert. Unter der Leitung von Architekt Karl Jung erfolgte 1941 der Anbau eines Büroraumes und der Umbau des Setzerraumes. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Wohnhaus teilweise beschädigt, das Druckereigebäude brannte völlig aus. Nach Ende des Krieges wurde das Gebäude der „Aschaffenburger Zeitung“ für kurze Zeit zum Sitz des „Military Gouvernement“ der Amerikaner. Nach Freigabe des Hauses wurde es unter Leitung des Architekten Ludwig Dölger 1955 umgebaut. Das Wohn- und Geschäftshaus erhebt sich viergeschossig an der Ecke Luitpoldstraße/Treibgasse. Die Fassade zur Luitpoldstraße war ursprünglich ähnlich wie die von Haus Nr. 4 a aus hellen Backsteinen mit rotem Sandstein und korbbogenförmigen Öffnungen sowie rustizierten Bändern gestaltet. Sie ist heute verputzt. Über dem Erdgeschoss befindet sich in der Mitte der Fassade ein dreigeschossiger Erker mit Balkon. Er wird von einem Zwerchgiebel mit Voluten, gekuppeltem Fenster, Gesims und Giebelaufsatz bekrönt. Die Fenster links und rechts des Erkers stehen sehr eng und sind mit roten Sandsteingewänden gerahmt, die des 3. Obergeschosses sind rundbogig. Unter der Traufe verläuft ein Konsolgesims. Die Gebäudekante ist im 2. und 3. Obergeschoss durch einen polygonalen Eckerker mit je drei schmalen Fenstern betont. Er war vor dem Krieg mit einem Türmchen und Zwiebelhaube versehen. Die Fassade zur Treibgasse hatte ursprünglich im Erdgeschoss vier korbbogenförmige Schaufensteröffnungen, die heute modernisiert sind. In den Obergeschossen ist die Fassade mit regelmäßigen fünf Fensterachsen klar gegliedert. Die horizontal gliedernden Gesimse sind nicht erhalten.
Quelle:
Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 94-95.