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Dossier Robert Bosch

Boschweg (Damm), benannt 1973 nach

Robert Bosch (1861 – 1942)

Konstrukteur und Industrieller

  • * 23. September 1861 in Albeck bei Ulm
  • 1869 – 1876 Besuch der Realschule in Ulm
  • 1876 – 1879 Lehre als Feinmechaniker in Ulm
  • 1879 – 1885 Wanderjahre; Tätigkeiten bei wichtigen Unternehmen der Zeit im Bereich der sich entwickelnden Elektrotechnik im In- und Ausland
  • 1886 Gründung der „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ in Stuttgart (später Robert Bosch GmbH)
  • 1887 Hochzeit mit Anna Kayser (vier Kinder)
  • 1887 Entwicklung und Bau eines innovativen Magnetzünders für Gasmotoren
  • 1901 Bezug der ersten eigenen Fabrik in Stuttgart (45 Mitarbeiter)
  • 1902 Entwicklung eines Hochspannungs-Magnetzünders für Benzinmotoren; dieser wird zum Ausgangspunkt für die internationale Expansion des Betriebs
  • 1906 Einführung des Achtstundentags (daher Beiname „Der rote Bosch“); gleichzeitig Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften wegen Rationalisierungsmaßnahmen
  • 1916 Vorsitzender des Verbands Württembergischer Industrieller
  • 1917 Umwandlung des auf 7.000 Beschäftigte angewachsenen Betriebs in eine Aktiengesellschaft und Entwicklung der ersten Beton-Schlagbohrmaschine
  • 1918 Mitglied der „Kommission zur Vorbereitung der Sozialisierung der Industrie“; Bosch befürwortet Mitspracherecht der Betriebsräte, lehnt aber Gewinnbeteiligung ab
  • 1919 Präsidiumsmitglied des Reichsverbands der deutschen Industrie
  • ab 1920 Gründung zahlreicher Wohltätigkeitseinrichtungen
  • 1922 – 1933 Mitglied im Senat der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
  • 1926 Gründungsmitglied des Stuttgarter Vereins zur Abwehr des Antisemitismus
  • 1926/27 Scheidung; Hochzeit mit Margarete Wörz (zwei Kinder)
  • 1927 Bosch AG produziert zunehmend elektrotechnische Geräte aus dem Konsumbereich, etwa Kühlschränke, Radioapparate und Elektrowerkzeuge
  • 1932 Übernahme der Junkers & Co. GmbH; Veröffentlichung „Die Verhütung künftiger Krisen in der Weltwirtschaft“
  • 1933 Erwerb der „Ideal-Werke für drahtlose Telephonie AG“ (seit 1938: Blaupunkt-Werke GmbH)
  • 1937 Umwandlung des Konzerns in eine GmbH
  • 1937 Einstellung von Carl Goerdeler als Berater
  • 1939 Zwangsarbeiter in Firmen der Bosch-Gruppe
  • 1940 Einweihung des „Robert-Bosch-Krankenhauses“ in Stuttgart (gestiftet von Robert Bosch)
  • † 12. März 1942 in Stuttgart

Ehrungen:

  • 1910 Ehrendoktor der Technischen Hochschule Stuttgart (wohl gegen seinen Willen)
  • Ca. 1941 Kriegsverdienstkreuz I. Klasse
  • 1941 Ernennung zum „Pionier der Arbeit“
  • 1941 Ehrendoktor der Universität Tübingen
  • Zahlreiche Straßen sind nach Robert Bosch benannt

 

Wirken in der NS-Zeit

Robert Bosch – Techniker, Industriepionier und Großunternehmer (Robert Bosch AG, ab 1937 Robert Bosch GmbH) – war von 1933 bis zu seinem Tod 1942 gezwungenermaßen in das NS-Wirtschaftssystem involviert. Gleichzeitig halfen er und führende Angestellte des Unternehmens mehreren Juden zu überleben. Bosch und seine Vertrauten (Bosch-Kreis) engagierten sich ab 1937 zudem nachweislich im politischen Widerstand gegen Hitler.

Für Robert Bosch waren die ersten Jahre nach der „Machtergreifung“ 1933 geprägt von Konflikten (aber auch von Arrangements) mit dem NS-Regime – und von der verfehlten Überzeugung, dass es sich beim Nationalsozialismus um ein „Übergangsphänomen“ (Scholtyseck, S. 146) handele. Das Unternehmen und Bosch persönlich wurden vom württembergischen NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr mehrfach attackiert. Gerüchte kursierten, wonach Bosch wegen seiner liberalen Einstellung inhaftiert werden sollte; er zog sich auf den bayerischen Boschhof zurück. Dennoch hoffte er (wohl noch bis 1935) darauf, den neuen „Führer“ Adolf Hitler von der aus seiner Sicht notwendigen Verständigung mit Frankreich überzeugen zu können. Bosch traf Hitler im September 1933 in dieser Angelegenheit, konnte aber nichts bewirken – zu einem wirklichen Meinungsaustausch kam es nicht. Für ein Lieblingsprojekt Hitlers (den Bau des „Hauses der Kunst“ in München) spendete Bosch 1939 nach Aufforderung 100.000 RM. Insgesamt entrichtete Bosch bis ins Jahr 1944 rund 1,75 Millionen RM als „Adolf-Hitler-Spende“ (Scholtyseck, S. 147).

Schätzungen basierend auf neueren Forschungen gehen davon aus, dass während des Zweiten Weltkriegs mindestens 20.000 Zwangsarbeiter bei Unternehmen der Bosch-Gruppe beschäftigt waren, darunter auch 800 Polinnen aus dem KZ Ravensbrück, die im September 1944 (somit nach Robert Boschs Tod) bei der Dreilinden Maschinenbau GmbH in Kleinmachnow Zwangsarbeit leisten mussten. Für letztere wurde eigens ein KZ-Außenlager unter Aufsicht der SS errichtet. Auch in den zum Konzern gehörenden Siling-Werken in Langenbielau, wo für die Zwangsarbeiter menschenunwürdige Bedingungen herrschten, wurden gegen Ende des Kriegs KZ-Häftlinge eingesetzt.

Robert Bosch war nie Mitglied der NSDAP – ein Eintritt in die Partei wurde selbst seitens der NSDAP als aussichtslos eingeschätzt, weshalb dies nie zur Debatte stand. Bosch strebte vielmehr aus sozial-liberaler Denktradition innenpolitisch einen Ausgleich mit der Sozialdemokratie an und außenpolitisch eine Verständigung mit Frankreich. Aus der Firmenleitung zog er sich zunehmend zurück. Wichtige Entscheidungen wurden nicht mehr von ihm allein, sondern von einem Direktorium getroffen. Bosch wusste, dass führende Vorstandsmitglieder der NSDAP beigetreten waren – wohl auch, um den Einfluss der NSDAP auf das Unternehmen möglichst gering halten zu können. Sein persönlicher Vertrauter, Hans Walz, wurde Mitglied der SS und war Mitglied des „Freundeskreises Himmler“ (wurde aber 1969 wegen seines Einsatzes für Juden mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ geehrt). Als von besonderer Bedeutung für die „Sicherheitsdeckung“ des Unternehmens erwies sich Gottlob Berger, ein Gegner des Gauleiters Murr und späterer SS-Obergruppenführer sowie enger Mitarbeiter Heinrich Himmlers. Berger, für den Robert Bosch eine Art Vaterfigur darstellte und der sich daher immer loyal verhielt, setzte sich für Bosch und (auch nach dessen Tod) für das Unternehmen sowie seine leitenden Angestellten persönlich ein. Von einem geheimen Konto erhielt Berger für seine Dienste von Bosch monatlich 700 RM sowie mehrere Sonderzahlungen in bis zu fünfstelliger Höhe.

Das Unternehmen Bosch musste ab 1933 Zugeständnisse an das NS-Regime machen, auch die Betriebsstruktur betreffende. Aufträge im Bereich der Rüstungsindustrie machten einen Großteil des Umsatzes aus, neue Firmen wurden als Teil der Bosch-Gruppe nach NS-Vorgaben gegründet; insbesondere in diesen Neugründungen wurden Tausende von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern beschäftigt.

In der wissenschaftlichen Forschung gilt Robert Bosch dennoch als Beleg dafür, dass ein Großunternehmer – unter den schwierigen Bedingungen des „Dritten Reichs“ – Widerstand gegen das totalitaristische NS-System leisten konnte. „Für Robert Bosch verkörperte der Nationalsozialismus ziemlich genau das Gegenteil von allem, wofür er eintrat“, konstatiert etwa Johannes Bähr in seiner Studie zu Bosch im „Dritten Reich“ (S. 169). Die zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume hinsichtlich des Widerstands gegen das NS-Regime habe Bosch weitgehend ausgenutzt. Mit dem Rüstungs- und Zwangsarbeitersystem habe er sich arrangieren müssen und etwa auf Vorgaben des NS-Regimes zur Behandlung von ausländischen Zwangsarbeitern kaum Einfluss gehabt: „Selbst eine ‚Wirtschaftsmacht‘ wie Bosch musste sich unter dem Druck der Verhältnisse den politischen Gesetzen des Nationalsozialismus unterwerfen“ (Scholtyseck, S. 552).

Als entlastend angeführt wird besonders Robert Boschs aktiver Widerstand gegen den von den Nationalsozialisten betriebenen Antisemitismus, den er Zeit seines Lebens ablehnte. Bosch war 1926 (gemeinsam mit Hans Walz) Gründungsmitglied des Stuttgarter Vereins zur Abwehr des Antisemitismus und setzte auch in seinem Unternehmen einen Geist um, der (selbst im Umfeld nach 1933) für antisemitische Hetze wenig Raum bot. Bosch und der Kreis seiner Vertrauten (Bosch-Kreis) leisteten verfolgten Juden in mehreren Fällen nachweislich Hilfestellung (Beispiele dafür zusammengefasst bei Theiner, S. 312 – 321). Durch die Einrichtung spezieller Abteilungen innerhalb des Unternehmens konnten einige Jüdinnen und Juden vor der (teils bereits anberaumten) Deportation gerettet werden. Auch erfolgten (geheime) finanzielle Zuwendungen an Juden und jüdische Vermittlungsstellen. Allein zwischen 1938 und 1940 unterstützte Bosch die Emigration verhafteter und verfolgter Juden mit einem Betrag von 1,2 Millionen RM (nach Bähr, S. 188; wohl nur in einem Fall hatte die Robert Bosch GmbH gegen den Willen bzw. die Interessen der Verkäufer jüdisches Eigentum erworben, ebenda, S. 192). Auch der Historiker Arno Lustiger zählt Bosch zu den wenigen Industriellen, „die alles taten, um jüdische Angestellte und deren Familien zu retten“ (SZ, 20.11.2010).

Einen Meilenstein bezüglich des politischen Widerstands nimmt die Einstellung von Carl Goerdeler als Berater des Unternehmens 1937 ein. Der ehemalige Leipziger Bürgermeister – dessen politische Ansichten sich keineswegs mit denen Boschs deckten – war als eine Art Sonderbotschafter bei Bosch beschäftigt. Auf zahlreichen Auslandsreisen, die als Dienstreisen im Auftrag des Unternehmens deklariert waren, versuchte er in vertraulichen Gesprächen vor den Absichten Hitlers zu warnen (mit sehr begrenztem Erfolg). Goerdeler vermittelte zudem den Kontakt zum militärischen Widerstand gegen Hitler, über den Robert Bosch vermutlich 1939 informiert wurde. Für den Widerstand des Bosch-Kreises stellte Goerdeler (darin ist sich die Forschung einig) den Dreh- und Angelpunkt. Robert Bosch selbst sollte die späteren Attentatspläne nicht mehr erleben.

1936 beging Robert Bosch seinen 75. Geburtstag; zugleich wurde das 50-jährige Unternehmensjubiläum gefeiert. Da in der zu diesem Anlass verfassten Festschrift die üblichen Huldigungen an das NS-Regime fehlten, sagten die zur Jubiläumsfeier in Stuttgart geladenen Vertreter der Partei ihre Teilnahme ab. Es kam zum Eklat, der in Ermittlungen gegen das Unternehmen und einer scharfen Verwarnung mündete. Die Unternehmensleitung bemühte sich in der Folge noch stärker um eine Art „Burgfrieden“ (Bähr, S. 178) mit der Gauleitung und der DAF. Anlässlich seines 80. Geburtstags 1941 wurden Robert Bosch hohe persönliche Auszeichnungen zuteil: Er wurde von DAF-Chef Robert Ley als „Pionier der Arbeit“ ausgezeichnet; von Gauleiter Wilhelm Murr erhielt er das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse. Der Robert Bosch GmbH wurde die Auszeichnung „Kriegs-Musterbetrieb“ verliehen.

Nach dem Tod Robert Boschs wurde sein Begräbnis seitens des NS-Regimes instrumentalisiert: Adolf Hitler ordnete ein Staatsbegräbnis an; NS-Reichswirtschaftsminister Walther Funk würdigte Robert Bosch – der im privaten Kreis (laut seiner Tochter Eva Madelung) über Hitler „Warum bringt denn diesen Kerl niemand um?“ gesagt haben soll (Madelung, S. 7) – als Nationalhelden und legte einen Kranz im Namen des „Führers“ nieder (vgl. auch Theiner, S. 392 – 394).

 

Quellen:

  • BArch, R 1507/2011 [Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung]
  • BArch, R 1507/2014 [Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung]

Literatur:

  • Bähr, Johannes: Bosch im Dritten Reich (1933 – 1945). In: Bähr, Johannes/Erker, Paul: Bosch. Geschichte eines Weltunternehmens. München 2013, S. 155 – 251.
  • Heuss, Theodor: Robert Bosch. Leben und Leistung. Stuttgart/Tübingen 1946.
  • Heuss, Theodor: Bosch, Robert. In: NDB, Bd. 2. Berlin 1955, S. 479 – 481.
  • Madelung, Eva: Einleitung. In: Dies./Scholtyseck, Joachim: Heldenkinder – Verräterkinder. München 2007, S. 7 – 20.
  • Scholtyseck, Joachim: Robert Bosch und der liberale Widerstand gegen Hitler 1933 bis 1945. München 1999.
  • Theiner, Peter: Robert Bosch. Unternehmer im Zeitalter der Extreme. Eine Biographie. München 2017.

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