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Dossier Karl Glaser

Glaserstraße (Gailbach), benannt 1975 nach

Karl Glaser (1908 – 1973)

Pfarrer in Gailbach (1948 – 1966)

  • * 30. Mai 1908 in Sankt Joachimsthal (heute Jáchymov, Tschechien)
  • Besuch der Volksschule
  • Besuch des Jesuitengymnasiums in Mariaschein (heute Bohosudov, Tschechien)
  • Studium der Theologie in Prag
  • 1932 Priesterweihe in Prag
  • 1932 Militärische Dienstzeit in Preßburg (Oktober bis Dezember)
  • 1932 – 1941 Kaplan in Graslitz (heute Kraslice, Tschechien)
  • 1938 Eintritt in die Sudetendeutsche Partei (SdP)
  • 1939 Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP (wird aufgrund seines Priesteramts abgelehnt)
  • 1941 – 1946 Pfarrer in Schönwald (bei St. Joachimsthal)
  • 1946 nach erzwungenem Verlassen des Sudetenlandes zunächst Flüchtlingsseelsorger in Bergrothenfels (heute Stadtteil von Rothenfels, Spessart)
  • Ca. 1946 – 1948 katholischer Hilfsgeistlicher (Kooperator) in Hösbach und Erlenbach/Marktheidenfeld
  • 1948 – 1966 Pfarrer in Gailbach
  • Ab 1966 Pfarrer in Großmannsdorf (bei Haßfurt)
  • † 10. August 1973 in Schweinfurt (beigesetzt in Gailbach)

 

Pfarrer Karl Glaser wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg über 17 Jahre als katholischer Geistlicher in Gailbach, von 1948 bis 1966. Anschließend war er bis zu seinem Tod 1973 Pfarrer in Großmannsdorf (bei Haßfurt), wurde aber in Gailbach beerdigt.

Karl Glaser, Sohn deutscher Eltern, stammte aus St. Joachimsthal im Sudetenland; dies war schon der Geburtsort seiner Eltern. Nach dem Besuch des Jesuitengymnasiums in Mariaschein studierte er Theologie in Prag, wo er 1932 zum Priester geweiht wurde.

Wirken in der NS-Zeit

Die Quellenlage zum Wirken von Karl Glaser in der Zeit zwischen 1933 und 1945 ist spärlich. Entnazifizierungsakten konnten nicht ermittelt werden – zu den untersuchten Pfarrern fanden sich durchweg keine Spruchkammerakten dokumentiert. Im Bundesarchiv Berlin ist eine Akte zu Karl Glasers Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP tradiert; im SSAA einige Zeitungsberichte, die retrospektiv Informationen über sein (kirchliches) Wirken in der Zeit beinhalteten.

Nach der Priesterweihe 1932 in Prag diente Karl Glaser als Kaplan bzw. Pfarrer in Graslitz und Schönwald. Die westböhmischen Gemeinden waren – wie sein Geburtsort St. Joachimsthal (heute Jáchymov, Tschechische Republik) – Teil der damaligen Tschechoslowakischen Republik und grenzten unmittelbar an das Deutsche Reich; Graslitz (heute Kraslice, Tschechische Republik) liegt nur fünf Kilometer vom sächsischen Klingental entfernt, St. Joachimsthal liegt unweit südlich von Oberwiesenthal.

Am 23. März 1938 trat Karl Glaser der Sudetendeutschen Partei (SdP) bei, Ortsgruppe Graslitz; er war von 1932 bis 1941 Kaplan und Pfarrverweser in Graslitz, dessen Einwohner zu 98 % Deutsche und zu etwa 90 % Katholiken waren. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 – also elf Tage zuvor – war die Mehrheit der Sudetendeutschen davon überzeugt, dass in naher Zukunft auch der Anschluss der Sudetengebiete folgen werde. „Die Begeisterung für die Einheit der deutschen Nation ergriff auch früher staatsloyale Deutsche“, wie der Historiker und ausgewiesene Experte Detlef Brandes konstatierte.[1] In St. Joachimsthal etwa, der Heimatstadt von Karl Glaser, sang eine 2.000-köpfige Menge das Horst-Wessel-Lied. In den Monaten danach stieg die Mitgliederzahl der SdP auf 1.350.000 (und damit auf mehr als das Zweieinhalbfache) an. Es etablierte sich ein System der Überwachung mit Hauswart, Blockwart, Ortswart nach NS-Vorbild; es gab systematische Hausbesuche mit dem Ziel, neue Mitglieder zu werben – und Listen anzulegen über diejenigen, die eine Mitgliedschaft verweigerten und sich dadurch „verdächtig“ machten. Funktionäre der SdP drohten den Verweigerern mit Sanktionen nach dem erwarteten Anschluss. Zahlreiche jüdische und tschechische Firmen verlegten ihre Sitze ins Landesinnere der Tschechoslowakischen Republik.

Die SdP hatte bereits im Februar 1937 die territoriale Autonomie der sudetendeutschen Gebiete gefordert, trat ein für „völkische Selbstverwaltung“, „Schutz unserer Heimat und unbedingte Sicherung der Volkstumsgrenze“ sowie für die „Wiedergutmachung des uns [den Sudetendeutschen] seit 1918 zugefügten Unrechts“. Eine Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen sah sie als „praktisch unmöglich“ an. Im April 1938 bekannte sich die SdP zum Nationalsozialismus (im Geheimen definierte sie sich schon Ende 1937 als „nationalsozialistische Partei“); am 15. September 1938 stellte ihr Führer Konrad Henlein die Forderung auf: „Wir wollen heim ins Reich!“.

Im Oktober 1938, nach der erfolgten Eingliederung der Sudetengebiete als Reichsgau Sudetenland ins Deutsche Reich (infolge des Münchner Abkommens), wurde die SdP unmittelbar der NSDAP unterstellt, aufgelöst und die Übernahme in die NSDAP verkündet. Ihre Mitglieder wurden aber nicht automatisch Mitglieder der NSDAP, sondern mussten einen entsprechenden Antrag stellen. Im Reichsgau Sudetenland gab es schließlich – nach den Forschungen von Ralf Gebel – etwa 520.000 NSDAP Mitglieder.[2]

Auch Karl Glaser stellte Anfang Januar 1939 ein Gesuch um Aufnahme in die NSDAP – das allerdings abgelehnt wurde. Das involvierte Kreisgericht Graslitz bestätigte die ausgesprochene Ablehnung durch den Kreisleiter:

„Die Aufnahmeablehnung des Vg. [Volksgenossen] Karl Glaser, Kaplan in Graslitz Nr. 321, in die NSDAP durch den Kreisleiter zu Graslitz ist begründet.

Begründung: Der Vg. hat am 3. Jänner 1939 um seine Aufnahme in die NSDAP nachgesucht. Er ist am 23. März 1938 der SdP beigetreten, sodass die formellen Voraussetzungen der Anordnung 78/38 des Reichsschatzmeisters vom 1.12.1938 erfüllt sind. Die Aufnahmeablehnung durch den zuständigen Ortsgruppenleiter erfolgte deshalb, weil der Aufnahmewerber katholischer Geistlicher ist. Die Ablehnung ist begründet und findet ihre Stütze in der Anordnung Nr. 24/37 und 140/39 des Stellvertreters des Führers, der zufolge Volksgenossen, die konfessionell stark gebunden sind, nicht in die NSDAP aufgenommen werden können.“[3]

Karl Glaser blieb bis 1941 als Kaplan in Graslitz und wechselte dann als Geistlicher in die kleine Gemeinde Schönwald (heute Krásný Les, Tschechische Republik) in der Nähe seiner Heimatstadt St. Joachimsthal.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutschsprachige Bevölkerung aus den Gemeinden des Sudetenlands zum großen Teil vertrieben. Karl Glaser gelangte 1946 als Flüchtlingsseelsorger nach Bergrothenfels (heute Stadtteil von Rothenfels, Spessart), war dann katholischer Hilfsgeistlicher (Kooperator) in Hösbach und Erlenbach/Marktheidenfeld, bevor er 1948 als Pfarrer nach Gailbach kam.

 

Anmerkungen

Mit der Eingemeindung von Gailbach nach Aschaffenburg im Jahr 1975 wurde die Umbenennung der „Friedensstraße“ notwendig (da auf dem Stadtgebiet bereits eine „Friedensstraße“ existierte). Der letzte Bürgermeister von Gailbach, Franz Velte, unterbreitete nach Rücksprache mit dem ehemaligen Gemeinderat Hans Roth den Vorschlag, zur „Ehrung des langjährigen Pfarrers Karl Glaser“ die „Friedensstraße“ in „Glaserstraße“ umzubenennen. In der tradierten Begründung heißt es dazu:

„Pfarrer Glaser hat sich um das religiöse Leben in Gailbach in den ersten Nachkriegsjahren und durch die vorbereitenden Arbeiten zum Neubau der Kirche, der nach seiner Idee gestaltet wurde, sehr verdient gemacht. Er stammt aus St. Joachimsthal in Böhmen und kümmerte sich auch um die Belange der Sudetendeutschen Landsmannschaft bzw. der Graslitzer.“[4]

 

Quellen:

  • BArch, R 9361-II/297077
  • SSAA, SBZ II, 903
  • SSAA, ZAS 01, 7699

Literatur:

  • Brandes, Detlef: „Besinnungsloser Taumel und maßlose Einschüchterung“. Die Sudetendeutschen im Jahre 1938. In: Jahrbuch der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2004. Düsseldorf 2005, S. 221 – 239.
  • Gailbach. Vom Dorf zum Stadtteil im Grünen. Aschaffenburg 2000.
  • Gebel, Ralf: „Heim ins Reich!“ Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland (1938 – 1945). München ²2000.
  • Osterloh, Jörg: Sudetendeutsche Heimatfront. In: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen. Berlin 2012, S. 591 – 594.
  • Pollnick, Carsten: Aschaffenburger Straßennamen. Aschaffenburg 1990.

 

  • [1] Brandes, S. 226. Die folgenden Ausführungen basieren auf den Forschungsergebnissen von Detlef Brandes und Ralf Gebel, siehe Literaturverzeichnis.
  • [2] Gebel, S. 135, Anm. 135.
  • [3] 28.09.1939, Beschluss des Kreisgerichts Graslitz; Eingang beim Gaugericht Sudetenland am 10.10.1939, gestempelt mit „Dienstaufsichtlich genehmigt! Gaugericht Sudetenland der NSDAP“. Auch die „Reichsleitung erklärt sich mit der Aufnahmeablehnung einverstanden und hat die Aufnahmeunterlagen deshalb unbearbeitet zu den Akten genommen“, 18.01.1940, Mitgliedschaftsamt, an den Gauschatzmeister des Gaues Sudetenland der NSDASP, alles BArch, R 9361-II/297077.
  • [4] 11.04.1975, Straßenumbenennungen im Stadtteil Gailbach, Dr. W. Fischer, Stadt- und Stiftsarchiv, an Oberbürgermeister, SSAA, SBZ II, 903.

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