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Dossier August Horch

Horchstraße (Innenstadt), benannt 1987 nach

August Horch (1868 – 1951)

Automobilkonstrukteur und Industrieller

  • * 12. Oktober 1868 in Winningen
  • 1874–1881 Besuch der Volksschule
  • 1881–1884 Lehre zum Schmied bei seinem Vater (Familientradition seit 1706)
  • 1884–1887 Arbeit als Schmied auf Wanderschaft (in Deutschland, Österreich-Ungarn, Serbien und Bulgarien)
  • 1888–1890 Studium der Ingenieurs-Wissenschaft (Maschinen- und Motorenbau) am Technikum Mittweida (Sachsen)
  • 1890/91 Arbeit auf Rostocker Werft im Konstruktionsbüro für Schiffsmaschinenbau
  • 1892–1896 Beteiligung an der Entwicklung eines Verbrennungsmotors für Torpedoschiffe (in Leipzig)
  • 1896 Ernennung zum Betriebsleiter des Motorenwagenbaus der Firma Benz & Co in Mannheim
  • 1897 Heirat mit Aneliese (Anna) Schulz in Leipzig
  • 1899 Gründung der Firma „August Horch & Cie.“ gemeinsam mit einem Teilhaber in Köln-Ehrenfeld; Reparatur von Automobilen sowie Konstruktion von Personenkraftwagen
  • 1902 Verlagerung des Betriebs nach Reichenbach (Vogtland); neue Firmenteilhaber
  • 1903 Bau eines Automobils mit vierzylindrigem Motor
  • 1904 Umwandlung der Firma in Aktiengesellschaft „Horch AG“ mit Firmensitz Zwickau (Sachsen)
  • 1909 Ausscheiden aus Horch AG im Streit; Firma bleibt unter seinem Namen bestehen; Gründung einer neuen Automobilfirma in Zwickau unter dem Namen „Audi“
  • 1914–1918 im Ersten Weltkrieg Lieferung von Automobilen an die Heeresverwaltung; Beteiligung an der Konstruktion schwerer Panzerwagen
  • 1917 Wahl in den Vorstand des Vereins Deutscher Motorfahrzeugindustrieller
  • 1920 Niederlegen des Vorstandspostens bei Audi, Wahl in den Aufsichtsrat
  • 1920 Verlegung des Wohnsitzes von Zwickau nach Berlin
  • 1921–1924 Leiter des Ausschusses „Außenhandelsstelle für Fahrzeuge“ im Reichsverkehrsministerium Berlin (Überwachung der Ein- und Ausfuhr von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen)
  • Ab 1926 Gutachter/Sachverständiger für Unfallschäden und Berater für Automobilfabriken
  • 1928 Adoption von Kindern, die bereits seit 1918 in der Familie lebten
  • 1929–1934 mehrere Versuche eine Hühnerfarm aufzubauen scheitern
  • 1931 Verkauf seines Berliner Wohnhauses aus finanziellen Gründen
  • 1932 Gründung der „Auto-Union Sächsischer Motorfahrzeugfabriken“ durch Fusion von Audi-Werke AG, Horch AG, Zschopauer Motorenwerke und der Automobilabteilung der Wanderer-Werke; Logo: vier nebeneinander angeordnete Ringe, die sich überschneiden
  • 1932 Berufung zum Präsidenten des Reichsverbands der Sachverständigen
  • 1933 Wahl in den Aufsichtsrat der „Auto-Union“, seit Geschäftsjahr 1937/38 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats
  • 1937 Autobiografie „Ich baute Autos“
  • 1938 Ehefrau Aneliese bezieht schwer krank das Berliner Elisabethenstift
  • 1939 Mittelmeerreise mit Else Kolmar
  • 1941–1945 Ausweichquartier im Gasthof Dinter, Langhessen bei Werdau
  • 1945 Übersiedlung (als Flüchtling) nach Münchberg (Oberfranken)
  • 1946 Tod seiner Ehefrau Aneliese sowie des Sohnes Eberhardt
  • 1948 Heirat mit Pflegetochter Else Kolmar (geb. Moll)
  • † 3. Februar 1951 in Münchberg (Oberfranken)

Ehrungen:

  • 1922 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Technische Hochschule Braunschweig
  • 1934 Benennung einer Straße in Zwickau ihm zu Ehren
  • 1939 Ehrenbürger von Zwickau
  • 1949 Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Winningen

 

Der Autopionier August Horch, gelernter Schmied und Motorenbau-Ingenieur, gründete 1899 die Firma „August Horch & Cie.“, die sich mit der Konstruktion von Personenkraftwagen befasste (1904 „Horch AG“ mit Firmensitz in Zwickau). Er schied 1909 im Streit aus der nach ihm benannten (und weiter bestehenden) Firma aus und gründete im gleichen Jahr die Automobilfirma „Audi“ (lateinische Entsprechung seines Namens). Im Ersten Weltkrieg lieferte Audi Fahrzeuge an die Heeresverwaltung und war an der Entwicklung schwerer Panzerwagen beteiligt.

Im Jahr 1920 legte er den Vorstandsposten bei Audi nieder, wechselte in den Aufsichtsrat der Firma und verlegte seinen Wohnsitz nach Berlin. August Horch war im gesamten Automobilwesen ausgezeichnet vernetzt, etwa als Vorstandsmitglied diverser reichsweiter Verbände (Reichsverband der Automobil-Industrie, Automobil- und Flugtechnische Gesellschaft, Präsident der Deutschen Verkehrswacht, Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen etc.). Er leitete den Ausschuss „Außenhandelsstelle für Fahrzeuge“ im Reichsverkehrsministerium Berlin, der für die Überwachung der Ein- und Ausfuhr von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen zuständig war. Seit 1926 arbeitete August Horch insbesondere als (vereidigter) Sachverständiger für das Automobilwesen (seit 1932 Präsidenten des Reichsverbands der Sachverständigen). In den Jahre 1929 bis 1934 scheiterte er mit mehreren groß angelegten Versuchen eine hoch technisierte Hühnerzucht aufzubauen, was ihn in finanzielle Schwierigkeiten brachte.

Wirken in der NS-Zeit

Im Jahr der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 befand sich August Horch in seinem 65. Lebensjahr. Er galt als „ein geachteter Pionier der Kraftfahrt“[1] und war als Sachverständiger in der Branche gefragt. Im Mai 1933 wurde er in den Aufsichtsrat der „Auto-Union“ gewählt; seit dem Geschäftsjahr 1937/38 agierte er als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der „Auto-Union“, die 1932 als Zusammenschluss der Audi-Werke AG, der Horch-Werke AG, der Zschopauer Motorenwerke sowie der Automobilabteilung der Wanderer-Werke gegründet worden war (Fusion der sächsischen Automobilbauer aufgrund wirtschaftlichen Drucks). Seit März 1935 erhielt er für seine Tätigkeiten (Gutachten, Lizenzverhandlungen) ein monatliches Salär von 500,- RM. Eine Werbebildserie aus dem Jahr 1937 zeigt den Firmengründer zwischen historischen und aktuellen Modellen.

Im Jahr 1937 veröffentlichte August Horch seine Lebenserinnerungen unter dem Titel „Ich baute Autos“. Darin zeichnet er ausführlich Lebensgeschichten auf, die sich ab 1896 hauptsächlich im Kontext des Automobilbaus, auch des Rennsports bewegen. Jürgen Pönisch sieht darin entsprechend vor allem „ein Kompendium zeitgenössischer Technikgeschichte“.[2] An einer Stelle schildert er seine erste Begegnung mit Adolf Hitler und ordnet sie ein:

„Am 11. Februar 1933 eröffnete der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler die Internationale Automobilausstellung. Als er seine große und hochbedeutende Rede beendet hatte, gab es jedem von uns einen förmlichen Ruck. Von diesem Augenblick an begann die deutsche Automobilindustrie, die dem Ruin nahe war, wieder zu leben, zu atmen und zu wirken. Jedermann kann sich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen: es ging buchstäblich vom 11. Februar 1933 an wieder aufwärts, und zwar in einem Ausmaße und in einem Tempo, wie es kein Mensch für möglich gehalten hätte. Ich hatte die Freude und die Ehre, bei dieser Gelegenheit, nach der Rede, dem Führer vorgestellt zu werden.“[3]

Er beschreibt in seiner autobiografischen Schrift ausführlich die Trauer, die ihn erfasste, als er Anfang August 1934 vom Tode des „Generalfeldmarschalls von Hindenburg“ („Ein großer Mann war dahingegangen“)[4] erfahren hatte. Seine Lebenserinnerungen lässt August Horch mit folgendem Resümee enden:

„Das neue Deutschland hatte die besten Rennwagen, die in der Welt gebaut wurden, und am Steuer dieser Wagen saßen ganze Männer. Wenn ich zurückblicke, werde ich froh. Ich war dabei, als die ersten Automobile gebaut wurden. Schritt um Schritt habe ich den langen, schwierigen Weg in der vordersten Front mitgehen dürfen. Ich habe meinen Teil getan. Viele Tausende guter Wagen tragen meinen Namen. Aus meiner ausgeplünderten, verarmten, erniedrigten und beleidigten Heimat ist ein stolzes, kraftvolles, blühendes Reich erstanden. Ein Mann hält das Steuer dieses Reiches in unbestechlichen, harten und zielbewussten Händen. Ich habe mein Leben lang ununterbrochen in immerwährender Arbeit meinen bescheidenen Beitrag zur Entwicklung des Volkes, aus dem ich komme und dem mein Herz und alle meinen [sic!] Gedanken gehören geliefert. Ich baute Autos.“[5]

Als Autopionier war er unter anderem beteiligt an der Zusammenstellung der Ausstellung zum Kraftfahrwesen im Deutschen Museum in München (1937); Fotografien zeigen ihn nach Erfolgen der Rennabteilung der Auto-Union im Kreise der Prominenz aus Autobau und Politik.

In Zwickau, der Stadt seiner großen Erfolge als Autobauer, wurde 1934 eine Straße nach August Horch benannt. Im Februar 1939 bekam der „Pionier des Deutschen Kraftfahrwesens“ die Ehrenbürgerschaft der sächsischen Stadt verliehen sowie die neu erschaffene Ehrenplakette. Im Rahmen der Feierlichkeiten trug er sich in das goldene Buch der Stadt Zwickau ein und lief den Spalier stehenden Ehrensturm der Motorstandarte 136 ab. An der Inszenierung mit Umzug nahmen hochrangige Mitglieder der NSDAP teil. Zu seinem 70. sowie zu seinem 75. Geburtstag erhielt August Horch Glückwunschschreiben „aus den höchsten Kreisen des III. Reiches“.[6]

Bis 1941 lebte August Horch in Berlin. Aufgrund der zunehmenden Luftangriffe bezog er mit seiner Pflegetochter Else Kolmar (geb. Moll) zwei Zimmer in einem Gasthof in Langenhessen bei Werdau (Landkreis Zwickau). 1945 flüchtete er nach Münchberg (Oberfranken). Hier heiratete er 1948 Else Kolmar, nachdem seine schwer kranke Frau 1946 verstorben war. Zu Else Kolmar äußerte er sich in einer anderen Angelegenheit 1946:

„Frau Else Kolmar ist mit ihrem Sohn in unserer Familie wie mein eigenes Kind aufgenommen worden, sie ist Halbjüdin. Sie können sich leicht denken, dass ich die vergangenen Jahre manche Anfechtung von Seiten der Partei durchzumachen hatte. Meine Pflegetochter wäre beim Kauf des Hauses in Schlachtensee als Halbjüdin bevorzugt.“[7]

In der Nachkriegszeit geriet August Horch in der sowjetischen Besatzungszone in die Kritik. In Presseartikeln wurde der Autopionier in Verbindung gebracht mit der Rüstungsproduktion der Auto-Union sowie der unmenschlichen Behandlung von „Fremdarbeitern“ in deren Rahmen.[8] Seitens der Auto-Union wurde ihm in diesem Zusammenhang (auf Anfrage) bestätigt, dass er „weder Einfluss auf die Produktion der Kriegsjahre hatte, noch irgendwie verantwortlich war für die Beschäftigung oder Behandlung ausländischer Arbeitskräfte“.[9] Ein Antrag auf Aberkennung der 1939 verliehenen Ehrenbürgerwürde wurde vom Stadtparlament Zwickau abgelehnt. In einem Brief distanziert sich August Horch von den Vorwürfen.[10] Er sei von der zuständigen Spruchkammer als nicht vom Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus betroffen eingestuft worden, so August Horch. Dokumente zum Entnazifizierungsverfahren fanden sich in den angefragten Archiven nicht tradiert. „Ich war ja niemals Pg, habe auch keiner Gliederung angehört“, schreibt Horch in dem privaten Schriftverkehr. Auch auf den zeitgenössischen Fragebögen im Zuge der Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen 1937 gab August Horch an, kein Mitglied der NSDAP zu sein.[11] Im Widerspruch zu seiner Nachkriegsaussage findet sich ein Eintrag in beiden tradierten NSDAP-Mitgliederkarteien. Demnach war August Horch NSDAP-Mitglied, vom 1. Mai 1933 (laut Stempel) bis zu seinem Austritt 1936, Mitglieds-Nr. 2.594.107.[12] Weder anhand seiner Lebenserinnerungen aus dem Jahr 1937 noch anhand anderer Dokumente lässt sich der Widerspruch auflösen.

In einer privaten Korrespondenz aus dem Dezember 1945 äußerte sich August Horch zum Nationalsozialismus wie folgt:

„Ja, wär hätte das geahnt, dass ein solches Ende kommt. Ich habe es ja nicht nur geahnt, sondern zum Teil schon gewusst, aber man konnte mit niemandem darüber reden. Man lief ja Gefahr, irgendwohin verschleppt zu werden. Damals wusste ich schon, wie die Sache liegt, aber wie gesagt, man konnte ja nicht reden. Wir waren grenzenlos belogen worden, waren nebenbei aber auch doof und haben nicht recht gemerkt von alledem was vorging.“[13]

 

Quellen

  • BArch, R-9361-IX KARTEI / 16881295 [Gaukartei]
  • BArch, R-9361-VIII KARTEI / 12401531 [Zentralkartei]
  • BArch, R 9361-V/22752

Literatur

  • Heinzmann, Sieger: Die visuelle Biografie. August Horch, 1868–1951. Audi. Wie alles begann … Hamburg 2012.
  • Hockert, Franziska: Zwangsarbeit bei der Auto-Union. Eine Fallstudie der Werke Audi und Horch in Zwickau. Hamburg 2012.
  • Horch, August: Ich baute Autos. Vom Schmiedelehrling zum Autoindustriellen. Berlin 1937.
  • Kirchberg, Peter/Pönisch, Jürgen: Horch. Typen – Technik – Modelle. Bielefeld 2006.
  • Löber, Ulrich (Hrsg.): August Horch. Ein Automobilkonstrukteur aus Winningen. Eine Ausstellung des Landesmuseums Koblenz. Koblenz 1986.
  • Pönisch, Jürgen: August Horch, Pionier der Kraftfahrt. 1868–1951. August-Horch-Museum, Zwickau 2001.

 

  • [1] Pönisch, Kapitelüberschrift, S. 167.
  • [2] Pönisch, S. 176.
  • [3] Horch, Ich baute Autos (1937), S. 309 f.
  • [4] Horch, Ich baute Autos (1937), S. 343.
  • [5] Horch, Ich baute Autos (1937), S. 348.
  • [6] Pönisch, S. 200.
  • [7] Zitiert nach Pönisch, S. 201. Es ging um ein Vorkaufsrecht für eine Villa der Auto-Union, das nicht zustande kam.
  • [8] Zu Zwangsarbeit bei der Auto-Union siehe ausführlich die Forschungsarbeit von Franziska Hockert.
  • [9] 06.06.1947, Auto-Union, an Rechtsanwalt Dr. Stöß, abgedruckt in Pönisch, S. 202.
  • [10] Transkript des Briefes an den Winninger Freund Heinrich Saas unter Pönisch, S. 202.
  • [11] BArch, R 9361-V/22752.
  • [12] BArch, R-9361-IX KARTEI / 16881295 [Gaukartei], BArch, R-9361-VIII KARTEI / 12401531 [Zentralkartei]. Name, Geburtsdatum und -ort sowie Beruf und Adresse sind übereinstimmend.
  • [13] Zitiert nach Pönisch, S. 203.

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