Hartmannstraße (Innenstadt), benannt 1957
Guido Hartmann (1876 – 1946)
Postbeamter und Heimatforscher; Mitbegründer Geschichtsverein AB
- * 9. Mai 1876 in Aschaffenburg
- Besuch des Aschaffenburger Gymnasiums, verlassen der Schule mit dem Einjährigenzeugnis
- Ca. 1900 – 1941 Tätigkeiten in verschiedenen Abteilungen der Aschaffenburger Postämter, darunter lange Jahre im Telegraphen- und Fernsprechdienst
- 1902 – 1943 Veröffentlichung zahlreicher Gedichte und heimatgeschichtlicher Aufsätze, darunter allein etwa 60 zu Fachwerkbauten und 80 zum sogenannten „Gemäldestreit“ (1921 – 1934) sowie zur Postgeschichte
- 1904 Mitbegründer des Aschaffenburger Geschichtsvereins
- 1907/10 Veröffentlichung erster Gedichte und „Aus dem Spessart. Kultur- und Heimatbilder“ (erschien danach in mehreren Auflagen)
- 1914 – 1918 Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg
- 1921 Mitbegründer des Frankenbunds
- 1928 „Der Spessart in der Literatur“
- 1933 „Die Kurmainzischen Kunstschätze zu Aschaffenburg“
- 1935 – 1945 Mitglied der NSDAP [Mitglieds-Nr. 3 364 238, rückdatiert auf „1. Mai 1933“]
- 1935 parteigerichtliches Verfahren gegen ihn (Verwarnung)
- 1937 Publikationen „Kampf um Meister Mathies von Aschaffenburg genannt Matthias Grünewald“ und „Reichskanzler, Kurfürst und Kardinal Albrecht II. von Brandenburg, der Führer deutscher Renaissancekunst“
- 1941 Eintritt in den Ruhestand als Oberpostinspektor
- 1944 Evakuierung mit seiner Frau nach Großheubach
- † 26. Februar 1946 in Großwallstadt (oder Großheubach)
Ehrungen:
- 1938 Ehrenmitglied des Aschaffenburger Geschichtsvereins
- 1940 Ehrenmitglied des Frankenbunds
Der Postbeamte Guido Hartmann hat neben Gedichten zahlreiche heimatgeschichtliche Abhandlungen verfasst und sich im Besonderen darum verdient gemacht, in die Landeshauptstadt München überführte Kunstschätze wieder nach Aschaffenburg zurückzuholen. Auch gilt er als treibende Kraft für die Rückgabe des 1919 nach Würzburg verbrachten Archivs des ehemaligen Kollegialstiftes St. Peter und Alexander, dass 1939 als Stiftsarchiv in die Verwaltung der Stadt Aschaffenburg übernommen werden konnte. Für seine Verdienste um den Aschaffenburger Geschichtsverein – den er 1904 mitgegründet hat – und den Frankenbund (Mitbegründer 1921) wurde er mit deren Ehrenmitgliedschaften geehrt (1938 bzw. 1940).
Wirken in der NS-Zeit
Guido Hartmann publizierte auch während der NS-Zeit zahlreiche Artikel zu heimatgeschichtlichen Themen, zu Fachwerkhäusern, zu regionaler Kultur- und Kunstgeschichte, zum Schutz des Waldes, insbesondere des Spessarts. Die Themen weisen eine Kontinuität zu früheren Veröffentlichungen auf. Auch sind Vorträge zu den publizierten Beiträgen, meist im Rahmen von Veranstaltungen historischer Vereine belegt. 1940 nahm er am von der Reichsschrifttumskammer veranstalteten „Mainfränkischen Dichterabend“ teil.[1]
In den heimatgeschichtlichen Beiträgen kommt – teils zwischen den Zeilen – zur Sprache, dass der Autor auf Übereinstimmungen seiner kulturellen Vorstellungen mit dem nationalsozialistischen „Kulturprogramm“ setzte. In der Vorberichterstattung zur Volkstrachtenschau in Würzburg im Juli 1934 liest sich das folgendermaßen:
„Aus der Bewegung, die ganz Deutschland erfasst, wenn die alte Frankenstadt mit gastlicher Feststimmung die bunte Pracht und stolze Eigenwüchsigkeit des ehrwürdigsten deutschen Standes, der Bauernschaft, im Schmuckbedürfnis seiner Tracht entfaltet, muss die Frucht erblühen, dass zerrissene Fäden geknüpft werden. Die einzige bewahrte bodenständige Tracht des Spessarts, die Grafschaftstracht [aus Wertheim, HK], möge nach kurzer Unterdrückung durch volksfeindliche Elemente zur Ehre des Spessartgaues wieder Freude an volkstümlicher Schönheit verbreiten und in der Tagesbürde, in Schicksal und Festtagsfeier das Menschentum der Landschaft umrahmen und ihm die charaktervollen, scharfkantigen Linien, aber auch Schmuck und Würde verleihen! Dazu helfe die mächtige volksfreundliche Strömung der Gegenwart!“[2]
Hauptberuflich war Guido Hartmann Oberpostinspektor (Eintritt in den Ruhestand 1941 im Alter von 65 Jahren). Seitens der Reichsschriftumskammer konnte ihm daher keine Mitgliedschaft gewährt werden, obwohl die eingeholten Bescheinigungen hinsichtlich seiner politischen Zuverlässigkeit positiv (im Sinne der NSDAP) ausfielen.[3] Er bekam wiederholt Genehmigungsbescheinigungen für seine Veröffentlichungen ausgestellt.
Guido Hartman war Mitglied der NSDAP, laut Eintrag in der Mitgliederkarte seit 1. Mai 1933 (siehe unten). Es sind keine Mitgliedschaften in anderen NS-Organisationen bekannt. In tradierten zeitgenössischen Formularen hat er alle weiteren nachgefragten Mitgliedschaften oder Ämter verneint. Da Guido Hartmann im Februar 1946 verstarb, musste er sich keines Entnazifizierungsverfahrens unterziehen.
Anhaltspunkte für sein Verhältnis zum Nationalsozialismus bietet ein parteigerichtliches Verfahren, das im Oktober 1935 gegen Guido Hartmann eingeleitet wurde.[4] Ihm wird darin vorgeworfen, gegenüber dem Blockleiter Georg Sauer anlässlich einer Sammlung (Sonderzahlung Umlage Reichsparteitag) gesagt zu haben:
„Was bietet mir die Partei, nachdem ich soviel zahlen muss – gar nichts. Bei jedem anderen Verein habe ich meine Vorteile. Ich bin nur gezwungenermaßen in die Partei eingetreten.“
Guido Hartmann erhielt im Verlaufe des Verfahrens wiederholt die Gelegenheit, sich zu den Anschuldigungen zu äußern. In einer ersten Vernehmung stellt er den Sachverhalt wie folgt dar:
„An den Wortlaut der mir zu Last gelegten Äußerung kann ich mich im Einzelnen nicht mehr erinnern. Es ist richtig, dass ich dem Blockleiter gegenüber mich wegen der Erhebung des Sonderzuschlags für den Parteitag unwillig äußerte. Ich war damals gerade vom Urlaub zurückgekommen und schlecht bei Kasse.
Auf Vorhalt: Es ist möglich, dass ich dem Sinne nach gesagt habe: Was bietet mir die Partei, nachdem ich soviel zahlen muss – gar nichts[.]
Ich glaube nicht, dass ich gesagt habe: Bei jedem anderen Verein habe ich meine Vorteile, denn ich habe ja von anderen Vereinen auch keine Vorteile. Für ganz ausgeschlossen halte ich es, dass ich gesagt habe: Ich wäre nur gezwungenermaßen in die Partei eingetreten. Dies ist deswegen unrichtig, weil ich durch niemand veranlasst wurde, in die Partei einzutreten, sondern dies völlig freiwillig tat. Lediglich Pg. Schauer hat mir einmal und zwar im Jahre 1934 das Angebot gemacht in die Partei einzutreten. Meiner Meinung nach tat er dies deswegen, weil er wusste, dass ich schon längst der Partei angehören wollte. Im Jahr 1933 habe ich gezögert in die Partei einzutreten, weil ich mich finanziell nicht belasten wollte. Ich stand der Partei immer sehr nahe. Ich habe an Flugblättern schon früher mitgearbeitet; auch habe ich Artikel, die sich inhaltlich mit den Aschaffenburger Kunstschätzen und der bekannt schlechten Behandlung dieser Frage durch die städtischen und staatlichen Stellen befassten, in der Parteipresse veröffentlicht. Im Jahre 1929 habe ich einmal bei einer Parteiversammlung bei Heylands-Schwind einen Vortrag gehalten über die Aschaffenburger Galerie. Damals sprach Parteigenosse Dr. Buttmann; ich wurde zu der Versammlung besonders geladen und ergriff auf Wunsch nach den Ausführungen des Pg. Dr. Buttmann das Wort.“[5]
Ein Zeitungsbericht in der Akte belegt die aktive Teilnahme an der genannten Veranstaltung am 20. April 1929. Aus der weiteren Verhandlung geht hervor, dass Guido Hartmann 1935 in die NSDAP eingetreten ist, das Aufnahmedatum aber auf den 1. Mai 1933 rückdatiert wurde (Hartmann bezeichnete es als „Opfer“, rückwirkend beim Eintritt Beitrag gezahlt haben zu müssen; der Richter widerspricht seiner Auffassung). Hartmann hatte angenommen, „dass ich wegen einiger scharfer Briefe, die ich wegen kultureller Angelegenheiten an einige Parteiführer geschrieben hatte, vorgeladen worden sei.“ Der Beschuldigte machte auf Nachfrage deutlich, dass er vor allem wegen seiner „kulturellen Aufgaben“ in die Partei eingetreten sei:
„Ich bin von Bürgermeister Schauer veranlasst worden, in die Partei einzutreten, aber ich wurde von keiner Seite dazu gezwungen. Ich kann das nur so gemeint haben, dass ich durch meine Kämpfe auf kulturellem Gebiet gewissermaßen gezwungen bin, der Partei beizutreten (Der Vorsitzende hält ihm entgegen, dass er schon 1931 [sic!] hätte beitreten sollen und können, in der Veranstaltung von Dr. Buttmann). Ich stand der Partei stets verständnisvoll gegenüber, aber ich habe mich im politischen Leben stets passiv verhalten, weil meine Interessen wo anders liegen. Ich wäre heute noch nicht bei der Partei, wenn mich nicht deren Kulturprogramm an sie binden würde, das mit dem meinen übereinstimmt. Auf Grund meiner politischen Passivität wäre ich nicht zur Partei gegangen. Wegen der kulturellen Aufgaben fühle ich mich mit der Partei auf Gedeih und Verderb verbunden.“[6]
Der politische Leiter, Ortsgruppen-Kassenleiter Krämer, beantragte den Ausschluss Hartmanns aus der NSDAP. Er begründete das neben den „eines Parteigenossen unwürdigen Aussagen“ und der dokumentierten „Interesselosigkeit an der Partei“ noch mit Hartmanns Verhalten gegenüber Juden: Noch zwei Wochen zuvor habe er, Hartmann, vor dem Juden Worms seinen Hut gezogen.
In seinem Schlusswort verwehrt sich Guido Hartmann gegen die erhobene (oder zumindest von ihm als solche empfundene) Anschuldigung, er sei rein aus materiellen Gründen der NSDAP beigetreten. Schließlich sei sein 15 Jahre dauernder „Kampf um die Kulturgüter der Stadt gegen das gesamte Regierungssystem“ gemeinnütziger Natur gewesen.[7] An den „Sprechabenden“ habe er zum großen Teil nicht teilnehmen können, weil zeitgleich der Geschichtsverein getagt habe, dessen 2. Vorsitzender er war (ihm war vorgeworfen worden, nur selten an Parteiabenden teilgenommen zu haben). Auch auf eine weitere Anschuldigung nahm er direkt Bezug:
„Was den Juden Worms angeht, so wohnt dieser im ersten Stock meines Hauses; mir widerstrebt es auf gebotenen Gruß nicht zu danken. (Der Vorsitzende stellt fest, dass gegen das Grüßen allein nichts einzuwenden ist.)“[8]
Guido Hartmann schloss sein Plädoyer mit dem nochmaligen Verweis auf sein kulturelles Interesse:
„Ich war niemals Politiker und bin es auch heute nicht. Ich habe meinen Kampf auf anderem Gebiet, eben auf kulturellem Gebiet geführt. Aber auf diesem Gebiet führte ich meinen Kampf im deutschesten Sinne (verliest weitere Stellen aus Werken vor der Machtergreifung). Ich habe aber sogar trotz meiner unpolitischen Einstellung an der Parteipresse und an Flugblättern der Bewegung mitgearbeitet (Beweise sind in seinen Händen).“[9]
Das Kreisgericht sprach Guido Hartmann in der Sache schuldig, beließ es aber beim Strafmaß bei der „Erteilung einer Verwarnung“. In der Begründung hieß es dazu erklärend:
„Mit Rücksicht auf seine verdienstvollen Arbeiten auf kulturellem Gebiet und seine damit verbundenen 15jährigen schweren Kämpfe, die er in Deutschlands schwerster Zeit in hiesiger Gegend als einziger Vg. [Volksgenosse, HK] mannhaft gegen ein Heer von Feinden durchfocht und die ihn nicht nur Verdruss und Ärger, sondern namhafte materielle Opfer gekostet haben, billigt das Kreisgericht dem Angeschuldigten mildernde Umstände zu und erkennt wie geschehen.“[10]
Quellen:
- BArch, NSDAP-Mitgliederkarteien
- BArch, R 9361-II/363922
- BArch, R 9361-V/21236
- SSAA, ZAS 01, 200
Literatur:
- Hartmann, Guido: Die Kurmainzischen Kunstschätze zu Aschaffenburg. Ein Quellenwerk für ihre Geschichte, ihr Recht und den Kampf um ihren Besitz. Aschaffenburg 1933 (123 Seiten, 6 Tafeln).
- Pollnick, Carsten: Aschaffenburger Straßennamen. Aschaffenburg 1990.
- Stadelmann, Gustav: Guido Hartmann. In: Aschaffenburger Jahrbuch 1 (1952), S. 264 – 266.
- Krämer, Werner: Erinnerung an Guido Hartmann 1876 – 1946 mit einer Laudatio von Prof. Adolf Dyroff (Untermainische Lebensbilder). In: Aschaffenburger Jahrbuch 18 (1995), S. 256 – 272.
- [1] Krämer, S. 270 f.
- [2] „Die Trachtenmenschen“, Aschaffenburger Volkszeitung vom 2. Juli 1934, SSAA, ZAS 01, 200.
- [3] BArch, R 9361-V/21236.
- [4] Akte zum parteigerichtlichen Verfahren unter BArch, R 9361-II/363922.
- [5] 26.10.1935, Gaugericht Mainfranken, Kreisgericht Aschaffenburg, Vernehmungs-Niederschrift, BArch, R 9361-II/363922.
- [6] 14.11.1935, Gaugericht Mainfranken, Kreisgericht Aschaffenburg, Haupt-Verhandlung, BArch, R 9361-II/363922.
- [7] Siehe dazu bestätigende Zeitungsberichte aus den Jahren 1932/34, SSAA, ZAS 01, 200.
- [8] 14.11.1935, Gaugericht Mainfranken, Kreisgericht Aschaffenburg, Haupt-Verhandlung, BArch, R 9361-II/363922.
- [9] Ebenda.
- [10] 14.11.1935, Beschluss des NSDAP-Kreisgerichts Aschaffenburg am Main in der Untersuchungssache gegen Pg Guido Hartmann.