Die kath. Stiftskirche St. Peter und Alexander gilt als die älteste und bedeutendste Kirche Aschaffenburgs und befindet sich ganz im Südosten der Oberstadt auf dem Badberg. Innerhalb der Kirche und der ehem. Bauten des Kollegiatsstiftes haben sich Befunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, darunter auch Gräber, im Boden erhalten. Einige Autoren vermuten an dieser Stelle ein karolingisches Königsgut oder ein Kloster, wofür aber nur indirekte Hinweise existieren. Zumindest müssen in Aschaffenburg bereits entsprechende Baulichkeiten existiert haben, ohne die zwischen 865 und 874 eine Heirat von König Ludwig III. und Liutgard nicht möglich gewesen wäre. 885 wurde Liutgard in der Stiftskirche beigesetzt, worüber eine glaubwürdige Quelle aus dem 12. Jh. berichtet. Ein ihr zugeschriebenes Grab befindet sich im Chor der Kirche. Da Liutgard im späten Mittelalter als fundatrix – also Gründerin – verehrt wurde, nahm sie wenigstens bedeutende Baumaßnahmen vor. Die früheste zeitgenössische Erwähnung der Stiftskirche St. Peter und Alexander stammt hingegen erst aus einer Urkunde des Kaisers Otto II.
Aus Anlass von Restaurierungsarbeiten für die Jahrtausendfeier der Stadt nahm man 1956 die Grablegen im Chor der Stiftskirche aus ihren Wandnischen heraus. Die Grabmäler und Sarkophage wurden dabei kunsthistorisch untersucht, die Gebeine anthropologisch ausgewertet. Lederreste von Schuhen aus dem Liutgard zugeschriebenen Grab gelangten an die Museen der Stadt Aschaffenburg. 1772 wurde Liutgard nach Ausweis einer Inschriftenplatte zusammen mit ihrer Tochter Hildegard, die ebenfalls in der Stiftskirche beigesetzt worden war, an den neuen Platz im Chor verbracht. Die Umbettung war durch die Stufenanlage vor dem neuen Hochalter notwendig geworden. Der Sarkophag datiert zusammen mit dem Chorbau in die Mitte des 13. Jh. und war offenbar von Anfang an für ein Nischengrab bestimmt. Wem diese Grabstelle ursprünglich zukam, ist nicht bekannt. Auch das Grab Herzog Ottos wurde 1772 umgebettet. Er war 982 in der Kirche bestattet worden. Seine Eltern sind die wahrscheinlichen Gründer des Stiftes gewesen. Otto selbst hatte die Stadt Aschaffenburg per Testament dem Erzstuhl Mainz geschenkt, wodurch Aschaffenburg zum Verwaltungszentrum des Oberstiftes wurde, dem größten Besitz der Mainzer Erzbischöfe. Auch sein Sarkophag datiert in die Mitte des 13. Jh. Nach Ausweis des bildhauerischen Schmuckes war er ehemals frei aufgestellt. Die anthropologische Untersuchung der Skelette ergab völlige Übereinstimmung mit der historischen Überlieferung. So war der im Grab des nur 28 Jahre alt gewordenen Herzogs Otto bestattete Mann in jungem Alter gestorben. Mit einer geschätzten Köpergröße von 1,77–1,78 m war er verhältnismäßig groß und offenbar der Oberschicht zugehörig. In dem anderen Grab waren zwei Frauen bestattet, die nach verschiedenen morphologischen Merkmalen offenbar nah verwandt waren.
Stiftskirche
Im März 1949 wurde durch Dipl.-Ing. Martin Klewitz mit Forschungsgrabungen in der durch den Krieg beschädigten Stiftskirche begonnen. Sie sollten Fragen nach Alter und Gestalt von Vorgängerbauten klären, die im Rahmen seiner Dissertation an der Technischen Hochschule Darmstadt zur Baugeschichte der Kirche aufgeworfen wurden. Die tägliche Nutzung der Kirche durfte dadurch jedoch nicht gestört werden. Bis zum Oktober konnten auf diese Weise dennoch in allen Teilen der Kirche Grabungsschnitte angelegt werden, deren Ergebnisse bereits wenige Jahre später publiziert wurden. Die sehr kleinen Schnitte und die z.T. ausgesprochen kurz bemessene Untersuchungszeit erlaubte es fast nirgends größere zusammenhängende Fundamentzüge freizulegen. Datierende Funde in unberührten archäologischen Schichten wurden von Klewitz nicht beobachtet, sodass sich seine Rekonstruktion der Bauabläufe gänzlich auf die Abfolge der Mauern und urkundlichen Nachrichten stützt. Der älteste Bauteil der Stiftskirche wurde im Chorbereich erschlossen. Nach Klewitz handelt es sich um einen selbstständigen Baukörper, auf den der Chor der heutigen Kirche aufgesetzt ist und an den alle älteren Bauphasen mit Baufugen anstoßen. So wurden die Fundamente des Querhauses und aller Chornebenräume später angebaut. Das Mauerwerk erwies sich mit einer Stärke von 2,4 m und mehr als ausgesprochen mächtig, zumal der gesamte Bau lediglich 9,8 m breit und 14,7 m lang war. Putzreste und Spuren von Bemalung zeigen, dass auch aufgehendes Mauerwerk erhalten war. Die zum ältesten Bau gehörige Oberfläche lag etwa 1,1 m unter dem heutigen Niveau. Die Deutung des Bauwerkes ist bis heute schwierig. Möglicherweise handelt es sich um die Grabeskirche Liutgards, die neben einer älteren, vielleicht hölzernen Kirche entstanden war.
Bei dem zweiten nachgewiesenen Kirchenbau handelt es sich um eine wesentlich größere Anlage. Dieser Bau entspricht vermutlich der 974 bereits geweihten Stiftskirche aus der ältesten urkundlichen Erwähnung des Stiftes. Ihr Bau könnte kurz nach der wohl zwischen 947 und 957 anzusetzenden Gründung des Kollegiatsstiftes begonnen worden sein. Der karolingische Bau blieb in der ottonischen Kirche als Sanktuarium erhalten. An ihn schloss sich ein Querhaus an. Das dreischiffige Langhaus war wesentlich kürzer als beim heutigen Bau. Auch waren die Seitenschiffe deutlich schmaler. Der Abschluss nach Westen erfolgte durch ein Westwerk, das etwa ebenso breit wie das östliche Querhaus war. Den kräftigen Fundamenten nach befanden sich an den Seiten zwei Türme. Dieser Kirche war im Westen eine Anlage vorgelagert, die die Breite des Mittelschiffes besaß. Vermutlich handelte es sich eher um ein Atrium als um eine überdachte Vorhalle. Die Nebenchöre mit halbrunden Apsiden sind spätere Ergänzungen, wohl des 11. Jh. Noch in der 1. Hälfte des 12. Jh. sollen die Planungen und der Baubeginn für den heute bestehenden Bau erfolgt sein. Klewitz sieht die Errichtung des Nordturmes in der neuen Westfassade als erste Phase für den Neubau eines verlängerten Langhauses mit Seitenschiffen an. Die Fertigstellung der neuen, flach gedeckten Pfeilerbasilika erfolgte im 1. Drittel des 13. Jh. Chor und Querhaus mit spätromanischen und frühgotischen Elementen wurden noch vor Mitte des 13. Jh. begonnen. Bei den Grabungen im Chor fiel ein Kanalsystem auf, das durch Klewitz vermutlich zutreffend als Heizanlage gedeutet wurde. Waren zu seiner Zeit solche Befunde noch sehr ungewöhnlich, so liegen mittlerweile verschiedene Nachweise von ottonischen Heizsystemen vor.
Stiftskapitelhaus
Das Stiftskapitelhaus neben der Stiftskirche diente als Versammlungsort der Stiftskanoniker und war von daher ein zentraler Bau der Stadt. Vermutlich geht das Bauwerk in seiner Funktion bereits auf die Gründung des Stiftes im 10. Jh. zurück. Auch wenn keine Urkunde aus der Zeit den Gründer oder das Jahr der Gründung angibt, so ist wohl mit einer Errichtung zwischen 947 und 957 unter Anordnung von Herzog Liudolf von Schwaben und seiner Gemahlin Ida zu rechnen. Die ältesten baulichen Reste datieren in das 12. Jh. Das Stiftskapitelhaus ist ein Ensemble von drei Stiftsgebäuden, die sich um einen Kreuzgang gruppieren. Die vierte Seite wird durch die Stiftskirche geschlossen. Der Kreuzgang selbst wurde wohl noch vor der Mitte des 13. Jh. errichtet. Die einzelnen Häuser des Stiftes wurden zwischen 1480 und 1483 zusammengelegt und erhielten eine einheitliche Fassade zum Stiftsplatz. Seit 1861 wurde hier ein Raum für die Städtische Sammlung der Altertümer zur Verfügung gestellt. 1930 überließ man schließlich das gesamte Gebäude dem Städtischen Museum. Durch verschiedene Sanierungsmaßnahmen im Stammhaus der Museen der Stadt Aschaffenburg waren auch umfassende Bodeneingriffe notwendig, die von Ausgrabungen und Befundsicherungen begleitet wurden.
1954 fanden im Kapitelsaal (Stiftskapitelhaus, Ostflügel) Fundamentierungsarbeiten an den Stützpfeilern statt. Dabei wurde in 0,75 m Tiefe ein Sarkophag aus Sandstein angetroffen und geöffnet (Grab 1). Für den frühen Zeitpunkt der Auffindung ist die anschließende vorbildliche Untersuchung der Körperreste und der beigegebenen Textilien eines hochmittelalterlichen Grabes ungewöhnlich. Dem Bestatteten waren Manipel und Stola als Zeichen seiner geistlichen Würde beigegeben. Die verwendeten Seidenstoffe mit Goldstickerei waren ausgesprochen kostbar und ein Beleg für den Reichtum des Stiftes und der Stiftsherren. Da das Grab nach der stratigraphischen Situation älter als der spätromanische Kapitelsaal ist, datiert es vermutlich noch in das 12. Jh. Im Zuge von Sanierungsarbeiten führte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zusammen mit den Museen der Stadt Aschaffenburg von Mai bis Ende Juli 1986 eine archäologische Untersuchung im Kapitelsaal und im Keller des Westflügels des Stiftskapitelhauses durch. Die heute vorhandene Bausubstanz stammt hauptsächlich aus dem 13. Jh. Sein Ursprung reicht vermutlich bis in das 11., sicher jedoch das 12. Jh. zurück. Durch spätere Baumaßnahmen, zuletzt im 17. Jh., wurde der Saal mehrfach verkleinert.
Ein wesentliches Ergebnis der archäologischen Untersuchungen war die Auffindung der bislang nur archivalisch nachgewiesenen Michaelskapelle. Diese entsprach räumlich dem südlichen Ende des Kapitelsaales und wurde bereits im 12. Jh. aus dem Gebäude ausgegliedert. Der einfache rechteckige Bau, der nur durch eine Trennwand vom Saal geschieden wurde, wurde in der 2. Hälfte des 13. Jh. ausgebaut. Einer Urkunde von 1287 ist zu entnehmen, dass der Umbau damals gerade erfolgt war. Dieser zeitlichen Einordnung entspricht der archäologische Befund. Nach Osten wurde eine halbrunde Apsis angebaut, in deren Fundament eine Konsole vermauert worden war, die in Form und Ornamentik direkte Entsprechungen im Kreuzgang aus der 1. Hälfte des 13. Jh. besitzt. Der Zugang zur Kapelle wurde durch ein rundbogiges Portal und flankierende Fenster, die bis heute erhalten sind, repräsentativ ausgestaltet. Innerhalb der Kapelle wurden drei Bestattungen (Grab 2 bis 4), darunter ein Kindergrab, aufgedeckt. Spätestens im 16. Jh. wurde die Kapelle aufgegeben und die Apsis abgerissen. Unter den Fundamenten des Glockensaales wurde ein tief liegender, mehr als 2 m breiter Mauerzug festgestellt. Es könnte sich dabei um den Rest einer frühen, möglicherweise karolingischen Befestigung der Stadt oder auch eines vermuteten Klosters oder Königshofes handeln. Das Mauerfundament verläuft parallel zur hochmittelalterlichen Stadtmauer, die bis heute die Gebäude des Stiftskapitelhauses zum Hang des Stiftsberges nach Osten abschließt.
Bei den Sanierungsarbeiten am Fundament der südlichen Innenwand des Kreuzganges konnten im Sommer 1978 mehrere Gräber dokumentiert werden. Sie wurden durch das Fundament des zwischen 1220 und 1250 erbauten Kreuzganges überlagert und gehören demnach zu einem älteren Friedhof des frühen und hohen Mittelalters um die Stiftskirche. Insgesamt wurden vier ungestörte Bestattungen und weitere verlagerte Knochen durch Mitarbeiter der Museen der Stadt Aschaffenburg untersucht. Die geosteten Bestattungen waren beigabenlos und befanden sich in einer Tiefe von ca. 0,9 m. Weitere acht Gräber fanden sich 1986 bei den Grabungen im Keller des Westflügels. Auch sie waren west-ost-orientiert und wurden vom ältesten Bau des Stiftskapitelhauses gestört. Im Zuge von Neubaumaßnamen konnten 1987 auf dem Stiftsplatz im Nordwesten der Stiftskirche baubegleitende Beobachtungen vorgenommen werden. Dabei wurden die noch erhaltenen, verfüllten Keller der 1865 abgerissenen Bebauung erfasst. Diese hatten das kleinräumige spätmittelalterliche Platzensemble umschlossen. Zudem wurden weitere beigabenlose Körpergräber festgestellt, zu denen doch keine näheren Angaben vorliegen. Sie gehörten zweifelsohne zum früh- und hochmittelalterlichen Friedhof um die Stiftskirche. Bereits 1940 wurde unter dem Stiftsplatz nach einem Wasserrohrbruch ein gemauerter Gewölbekeller festgestellt. In der Mitte dieses Kellers soll sich ein quadratischer Schacht befunden haben, der bis in ca. 5 m Tiefe verfolgbar war. Vermutlich handelt es sich dabei um einen Brunnenschacht (Vgl. Baudenkmäler, Stiftsgasse 3).
Quelle:
Ina Gutzeit/Hauke Kenzler: Kreisfreie Stadt Aschaffenburg. Ensembles, Baudenkmäler, Bodendenkmäler (Denkmäler in Bayern. VI. Unterfranken, 71), München 2015, S. 211-213.