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Dossier Joseph Victor von Scheffel

Scheffelstraße (Damm), benannt 1920 nach

Joseph Victor von Scheffel (1826 – 1886)

Jurist, Schriftsteller und Dichter, Texter des „Frankenlieds“

  • * 16. Februar 1826 in Karlsruhe
  • Besuch des Karlsruher Lyzeums
  • 1843–1847 Studium der Rechtswissenschaften (sowie der germanischen Philologie, Literatur, Kunstgeschichte und Geschichte) in München, Heidelberg und Berlin
  • Ab 1844 Mitglied verschiedener Burschenschaften in Heidelberg und Berlin
  • 1845 Veröffentlichung erster Gedichte
  • 1848 Teilnahme an der Nationalversammlung in Frankfurt am Main (als Begleiter des badischen Bundesgesandten Carl Theodor Welcker)
  • 1848 Staatsexamen (Rechtswissenschaften)
  • 1848 Redakteur der (kurzzeitig) in Karlsruhe erscheinenden „Vaterländischen Blätter“
  • 1849 Promotion „Natur und Bedeutung des Surrogats nach röm. und franz. Recht“
  • 1850/51 Dienstrevisor in Säckingen; erste Reiseessays
  • 1851/52 Sekretär am Hofgericht in Bruchsal
  • 1852 Studienreise nach Italien
  • 1853/54 Gedicht „Der Trompeter von Säckingen. Ein Sang vom Oberrhein“
  • 1855 Historischer Roman „Ekkehard. Eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert“ sowie weitere Italienreise mit dem Maler Anselm Feuerbach
  • 1856 Aufenthalt in München, anschließend auf der Wartburg
  • 1857–1859 Bibliothekar der Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen
  • 1859 „Frankenlied“, Niederlassen in Karlsruhe
  • 1860–1863 Stationen am Chiemsee, im Salzkammergut und in verschiedenen Bädern
  • Ab 1863 Zusammenarbeit mit dem Maler Anton von Werner
  • 1864 Hochzeit mit Karoline von Malsen
  • 1864–1873 wohnhaft in Karlsruhe, zwischenzeitlich in Seon (Schweiz, 1864/65)
  • 1866 Erzählung „Juniperus. Geschichte eines Kreuzfahrers“
  • 1868 Liedersammlung „Gaudeamus. Lieder aus dem Engeren und Weiteren“
  • 1873–1876 wohnhaft abwechselnd in Karlsruhe und Mettnau bei Radolfzell
  • 1876 Erweiterung des Grundbesitzes in Mettnau und Umzug an den Bodensee; letzte Lebensjahre zurückgezogen, durch fortschreitende Gehirnerkrankung behindert, in seiner Villa bei Radolfzell
  • 1885/86 vorrübergehend in Heidelberg
  • † 9. April 1886 in Karlsruhe

Ehrungen:

  • Ehrenbürger von Säckingen (1875), Radolfzell (1876) und Heidelberg (1886)
  • Der 1924 gegründete Scheffelbund ist die größte literarische Vereinigung in Deutschland; seit 1928 Verleihung des „Scheffelpreises“ (für das beste Abitur in Deutsch) an Hunderten Gymnasien
  • Scheffel-Museen in Karlsruhe (seit 1926, mit Archiv) und in Radolfzell (seit 1928)
  • Zahlreiche Straßennamen, Denkmäler und Denkplaketten, Benennungen von Schulen

Nationalistischer Dichter?

Joseph Victor von Scheffel war im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts „einer der meistgelesenen Autoren“.[1] Seine Dichtung „Der Trompeter von Säckingen. Ein Sang vom Oberrhein“ (veröffentlicht 1854) sowie der historische Roman „Ekkehard. Eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert“ (1855) begründeten seinen Ruhm im deutschsprachigen Raum, wobei die massenhafte Rezeption erst um 1870 einsetzte.[2] Mit seinem vertonten Text „Die Wanderfahrt“, heute meist „Lied der Franken“ genannt, ist er bis in die Gegenwart zwischen Main und Donau präsent; „die Franken betrachten es als ihre ‚heimliche Nationalhymne‘“.[3] Der 1924 ihm zu Ehren gegründete Scheffelbund gilt als die größte literarische Vereinigung in Deutschland.

„Als Burschenschaftler beteiligte er sich an den nationalliberalen Bestrebungen und fühlte sich von einem großdeutschen Standpunkt aus für sein deutsches Vaterland verantwortlich“, konstatiert Helge Dvorak im Biographischen Lexikon der Deutschen Burschenschaft.[4] In die Kritik aus heutiger Perspektive geriet der Schriftsteller aufgrund der national überhöhenden Motive in seiner Dichtung. Bei der Gegenüberstellung des deutschen Nationalcharakters mit den Repräsentanten klassischer europäischer Geisteskultur stellte er letztere in der Regel in schlechterem Licht dar. Als Beispiel hierfür herangezogen wird etwa ein populäres Gedicht aus dem „Trompeter von Säckingen“:

Römisch Recht, gedenk ich deiner,

Liegt‘s wie Alpdruck auf dem Herzen,

Liegt’s wie Mühlstein mir im Magen,

Ist der Kopf wie brettvernagelt!

Hier klänge, so die Kritik, „bereits deutlich die im 20. Jahrhundert verhängnisvolle bewusste Abwendung der Deutschen von der europäischen Geisteshaltung“[5] an. Auch für die „Verbrämung und Rechtfertigung der intellektuellen Verweigerung mit Blut- und Boden-Motiven“[6] wird aus dem „Trompeter von Säckingen“ zitiert:

Sind verdammt wir immerdar, den

Großen Knochen zu benagen,

den als Abfall ihres Mahles

uns die Römer hingeworfen?

Soll nicht aus der deutschen Erde

Eignen Rechtes Blum’ entsprossen,

Waldes duftig, schlicht, kein üppig

Wuchernd Schlinggewächs des Südens?

Traurig Los der Epigonen!

Müssen sitzen, müssen schwitzen,

Hin und her die Fäden zerren,

eines wüstverschlungnen Knäuels,

Gibt’s kein Schwert und andre Lösung?

National überhöhende Motive (deutscher Wald, deutsche Erde, germanisches Erbe) tauchen in seiner Dichtung auf. Es ließen sich in der Durchsicht der Literatur aber keine Äußerungen auffinden, die den Kriterien des Fachbeirats entsprechend besonders diskussionswürdig erschienen. Verehrung und Ächtung Joseph Victor von Scheffels bezog sich vielmehr auf ästhetische Kategorien;[7] politische Inhalte seiner Dichtung seien nur „mit Mühe aus historischen oder exotischen Motiven zu entschlüsseln“.[8] Wenn etwa Günther Mahal vorschlägt, „wir täten gut daran, das XIX. Jahrhundert nicht mit den Messlatten des XX. zu bewerten und dann gleich zu verwerfen“,[9] bezieht er sich auf den verbreiteten Vorwurf der Trivialität an die Dichtung Joseph Victor von Scheffels.

 

Literatur:

  • Berschin, Walter/Wunderlich, Werner (Hrsg.): Joseph Victor von Scheffel (1826–1886). Ein deutscher Poet – gefeiert und geschmäht. Ostfildern 2003.
  • Dvorak, Helge: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, Bd. 2. Künstler. Heidelberg 2018, S. 600–605.
  • Mahal, Günther: Joseph Viktor von Scheffel. Versuch einer Revision. Karlsruhe 1986.
  • Mahal, Günther: Erinnerungen an einen Vergessenen. In: Berschin, Walter/Wunderlich, Werner (Hrsg.): Joseph Victor von Scheffel (1826–1886). Ein deutscher Poet – gefeiert und geschmäht. Ostfildern 2003, S. 11–21.
  • Schmidt-Bergmann, Hansgeorg: Scheffel, Joseph Victor von. In: NDB 22, Berlin 2005, S. 610–612.
  • Selbmann, Rolf: Dichterberuf im bürgerlichen Zeitalter. Joseph Viktor von Scheffel und seine Literatur. Heidelberg 1982.

 

  • [1] Schmidt-Bergmann, S. 611.
  • [2] Siehe hierzu auch die Beiträge in Berschin/Wunderlich.
  • [3] Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, S. 603.
  • [4] Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, S. 601.
  • [5] Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, S. 603.
  • [6] Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft, S. 603.
  • [7] Siehe hierzu ausführlich Mahal 1986.
  • [8] Selbmann, S. 107.
  • [9] Mahal 2003, S. 20.

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