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Dossier Hans Hönlein

Hönleinweg (Innenstadt), benannt 1957 nach

Hans Hönlein (1875 – 1952)

Arzt und Heimatforscher; Vorsitzender des Spessartbunds

  • * 2. Juli 1875 in Lohr
  • 1881 – 1888 Besuch der Volksschule und der Lateinschule in Lohr
  • 1888 – 1894 Besuch des Gymnasiums in Aschaffenburg
  • 1894 – 1896 Besuch des Gymnasiums in Münnerstadt (mit Abschluss 14.07.1896)
  • Bis 1912 Studium der Medizin in Würzburg sowie in Berlin und Kiel; Medizinisches Staatsexamen (18.07.1912); Mitglied der Studentenburschenschaft Corps Bavaria Würzburg
  • Bis 1914 für kurze Zeit „Allgemein-Arzt“
  • 1914 – 1950 Leiter/Chefarzt der Lungenheilstätte „Maria-Theresia-Heim” bei Sackenbach im Spessart; zudem Tuberkulose-Fürsorgearzt im Stadt- und Landkreis Aschaffenburg sowie in den Kreisen Lohr und Marktheidenfeld; parallel dazu Privatpraxis
  • Ab 1914 Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes
  • Ab 1914 Mitglied im Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA), ab 1933 umbenannt in Volksbund für das Deutschtum im Ausland
  • 1926/27 Ernennung zum Sanitätsrat
  • 1932 Wahl zum Vorsitzenden des Spessartbunds
  • 1933 stellvertretender 1. Vorsitzender des Spessartbunds (den Vorsitz übernahm Wilhelm Wohlgemuth)
  • 1937 – 1945 Mitglied der NSDAP [Mitglieds- Nr. 4 642 155]
  • Ca. 1938 – 1945 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), des NS-Ärztebunds und des NS-Altherrenbunds
  • † 26. September 1952 in Lohr

Ehrungen:

  • 1948 Ehrenvorsitzender des Spessartbunds
  • 1950 Ehrenmitglied des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg
  • 1951 Ehrenbürger der Marktgemeinde Frammersbach
  • 1951 Aussichtsturm auf dem Stengerts erhält den Namen „Hans-Hönlein-Turm“
  • 1952 Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

 

Der Mediziner Dr. Hans Hönlein, 1926/27 zum Sanitätsrat ernannt, leitete seit 1914 als Chefarzt die Lungenheilstätte „Maria-Theresia-Heim” bei Sackenbach im Spessart. Er war zugleich Tuberkulose-Fürsorgearzt im Stadt- und Landkreis Aschaffenburg sowie in den Kreisen Lohr und Marktheidenfeld und betrieb neben der Tätigkeit in der Lungenheilstätte eine Privatpraxis. In seiner Freizeit widmete er sich der Heimatgeschichte, sammelte entsprechende Literatur, Karten und Grafiken sowie Fotografien; den Grundstock der Sammlung hatte er von seinem Vater übernommen. In zahlreichen Aufsätzen und Beiträgen teilte er sein Wissen über den Spessart. 1932 wurde der Arzt und Heimatforscher einstimmig zum Vorsitzenden des Spessartbunds gewählt.

Wirken in der NS-Zeit

Während der NS-Zeit leitete Hans Hönlein weiterhin als Chefarzt die Lungenheilstätte „Maria-Theresia-Heim” bei Sackenbach. Sein Arbeitgeber war der „Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in Mainfranken“ mit Sitz in Würzburg; sein Gehalt betrug (zwischen 1933 und 1945 unverändert) 10.980, – RM im Jahr.[1] Hinzu kamen Einnahmen aus seiner Privatpraxis, die sich seinen eigenen Angaben nach von rund 5.000, – RM (1933) bis auf gut 18.000, – RM (1942) entwickelten.[2]

Im Jahr 1937 trat Hans Hönlein der NSDAP bei; sein Beitritt wurde in den Mitgliederkarteien auf den 1. Mai 1937 datiert [Mitglieds-Nr. 4 642 155]; laut hier tradierter Informationen hatte er am 02.09.1937 die Aufnahme in die NSDAP beantragt, die Mitgliedskarte wurde demnach am 15.12.1937 ausgestellt.[3] In Meldebogen aus dem Jahr 1946 gab er hingegen an, im April 1938 (unter äußerem Druck) in die Partei eingetreten zu sein. Hans Hönlein war zudem Mitglied im NS-Altherrenbund, in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und im NS-Ärztebund. Wann er den jeweiligen NS-Organisationen beigetreten ist, ließ sich nicht verifizieren; er selbst gab 1946 ebenfalls „April 1938“ als Eintrittsdatum für NS-Altherrenbund und NSV an. Bereits seit 1914 war er Mitglied im Deutschen Roten Kreuz und im Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA, ab 1933 umbenannt in Volksbund für das Deutschtum im Ausland).

Seit 1932 war Hans Hönlein gewählter Vorsitzender des mitgliederstarken Spessartbunds, einem Zusammenschluss von Heimatvereinen aus der Region. Desiree Lang hat sich in einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit intensiv mit dessen Geschichte zwischen 1933 und 1939 beschäftigt, anhand des tradierten Quellenmaterials im Archiv des Spessartbunds. Demnach begann der Einfluss des Nationalsozialismus auf den Spessartbund in der ersten Vorstandssitzung nach der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler:

„Der Reichsverband deutscher Gebirgs- und Wandervereine fordert zu Beteiligung an den Feiern am 1. Mai auf. Dr. Hönlein bezeichnet dies als eine Selbstverständlichkeit, wie überhaupt loyalste, treueste nationale Mitarbeit das Gebot der Stunde sei.“[4]

Zuvor, so Desiree Lang, spielten nationalistische Thermen keine Rolle in den Sitzungsprotokollen. Der Bund bekannte sich allerdings zur deutschen Heimat, zum deutschen Vaterland, wie ein Schreiben des Vorstands zum 1. Mai 1933 an Hermann Göring und an den Reichsstatthalter in Bayern, Ritter von Epp, dokumentiert, das in der Zeitschrift „Spessart“ veröffentlicht wurde:

„Über ein halbes Jahrhundert schon pflegen die seit zwanzig Jahren im Spessartbunde zusammengeschlossenen Heimatvereine jene Volksverbundenheit in ihren Reihen, die heute auf dem besten Wege ist, endlich deutsches Allgemeingut zu werden. […] Leitprinzip war, unser ewigschönes Land dem Erwachsenen zu erschließen, auf dass er auch mit der Seele es erfassen lerne und vor allem die Jugend zu lehren, wie man sich die Heimat erwandern müsse und erwandern könne. Um sie dann als fundamentales Edelgut unentreißbar für immer im Herzen durchs Leben zu tragen. Waren wir so mit unseres Bundes Grundgedanken schon von allem Anfange an zu unserem Teile Wegbereiter des neuen Reiches gewesen, wollen wir heute […] geloben, dass wir auch weiterhin nicht rasten werden, das uns Menschenmögliche mit beizutragen zur Erreichung des hohen Zieles, das sich die neue nationale Regierung gesteckt. Ihr gilt heute unser ehrfurchtsvoller Willkomm, ihr unser ergebener treudeutscher Wandergruß ‚Frisch auf‘.“[5]

Da Hans Hönlein (noch) kein NSDAP-Mitglied war, musste er laut Desiree Lang den Vorsitz des Spessartbunds an den Aschaffenburger Oberbürgermeister Wilhelm Wohlgemuth abtreten. Letzterer konnte sich mit seinen Personalvorschlägen für einen neuen 2. Vorsitzenden als seinem Stellvertreter jedoch nicht durchsetzen; Hans Hönlein wurde stellvertretender Vorsitzender und blieb damit faktisch die wichtigste Person des Bundes, den er als Stellvertreter durchgehend bis 1945 führte. Wilhelm Wohlgemuth griff nie sichtbar in die Vorstandsarbeit ein.[6] Personell gab es weder im Vorstand noch in den Ortsgruppen des Spessartbunds einen Umbruch. Organisatorisch sah sich die Institution jedoch gezwungen, sich im Rahmen des „Reichsverbands der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine“ (RDGW) zu bewegen (der nun wiederum im „Deutschen Reichsbund für Leibesübungen“ (DRL) integriert war) und war damit de facto strukturell gleichgeschaltet; die Jugendorganisationen wurden aufgelöst (Juli 1933) und deren Mitglieder zum Teil der HJ zugeführt. Desiree Lang weist darauf hin, dass in keiner der neuen Satzungen des Spessartbunds die geforderte „Arier-Bestimmung“ auftauche. Ab 1936 sah sich der Bund gezwungen, die „Einheitsfassung“ des DRL zu implementieren, woraufhin sich der Verband „vom Interessenvertreter zum Überwachungsorgan der Ortsgruppen“[7] hin entwickelte: Im Vordergrund stand einzig das Wandern zum Zwecke der „leiblichen und seelischen Erziehung seiner Mitglieder im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates durch die Pflege der Leibesübungen, insbesondere durch planmäßige Förderung und Ausübung des Wanderns, die Pflege von Heimatnaturschutz und Volkstum im Spessartgebiet.“[8] Ab 1935 tauchten paramilitärische „Gepäckmärsche“ als Neuerungen auf, deren Ablauf durch den DRL genau vorgegeben war – inklusive „Deutschem Gruß“ beim Zieleinlauf. Ab 1938 musste der Spessartbund seine inhaltliche Arbeit nahezu einstellen; er war „von einem vielseitig engagierten Verband von Wandervereinen, die sich der kulturellen Förderung und regionalen Entwicklung verschrieben hatten, zu einem reinen Wanderverband“ geworden, wie Desiree Lang resümiert. Während des Krieges war aus unterschiedlichen Gründen eine Verbandsarbeit kaum mehr möglich. Auch Hans Hönleins Versuche, ein Mindestmaß an Verbandsarbeit zu gewährleisten, blieben erfolglos.[9]

Wenngleich der Spessartbund wenig begeistert auf die strukturellen Eingriffe von außen reagierte, versuchte der Vorstand wiederholt die Vorteile von Neuerungen hervorzuheben. Öffentlich bekannte sich auch Hans Hönlein zu den neuen Machthabenden, etwa in einer Rede anlässlich des 15. Spessart-Bundesfests in Lohr 1934, wie im „Spessart“ berichtet:

„Die eigentliche Festrede hielt der stellv. Bundesführer Sanitätsrat Dr. Hönlein. Er pries die Schönheiten Lohrs in lückenlosem Kreis der bewaldeten Berghänge und stellte Lohr als die Waldstadt des Spessarts heraus, als das wahrhafte Spessarttor. Er grüßte auch namens des Bundes alle Erschienenen und geizte nicht mit Dankesworten. Der Marsch der deutschen Wanderer, so führte er u. a. aus, gehe ins Dritte Reich. Wer mit dem Herzen noch nicht dabei sei, der müsse wenigstens mit der Vernunft dabei sein angesichts der schon erzielten Erfolge. Mit Recht warf der Herr Festredner die Frage in die Versammlung: „Auf was warten wir denn noch?“ Mit einem stürmisch aufgenommenen „Frisch auf!“ auf Hindenburg, Adolf Hitler und die deutsche Heimat schloss Dr. Hönlein seine Ausführungen. Befreiend und spontan stieg das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied, das mit ähnlichem inneren Volumen selten zu hören war.“[10]

Entnazifizierungsverfahren

Hans Hönlein war sehr daran gelegen, seine Entnazifizierung möglichst schnell voranzubringen. Seine berufliche Tätigkeit als leitender Arzt der Heilstätte „Maria-Theresia-Heim“ stand zur Disposition und auch sein gewünschtes Wirken in leitender Funktion im Spessartbund war abhängig davon, ob es ihm gelänge, die zuständige Spruchkammer in Lohr davon zu überzeugen, trotz Parteimitgliedschaft kein Nationalsozialist gewesen zu sein.

Bereits Mitte Oktober 1945 wandte sich Hans Hönlein an den Landrat in Lohr. In seinem Schreiben bat er darum erläutern zu dürfen, wie er „zur Partei gekommen“ sei:

„Bis zum Umbruch bin ich 1. Vorsitzender des Spessartbundes gewesen. Nach der Machtübernahme wurde ich durch Bürgermeister Wohlgemuth, Aschaffenburg, abgesetzt, der die Führung des Bundes übernahm. In einer Sitzung erklärte ich sofort meinen Rücktritt, worauf sich meine bisherigen Mitarbeiter im Bundesvorstand erhoben und ihrerseits einhellig die Erklärung abgaben, dass dann auch sie ausscheiden müssten und der Bund auseinanderfallen würde. Wohlgemut[h] wollte es auf das Äußerste nicht ankommen lassen und bestimmte mich, falls ich nur weitermachen wollte, zum stellvertretenden ersten Vorsitzenden. Nur um der mir ans Herz gewachsenen Heimatsache kein unerwünschtes Ende zu bereiten, ließ ich mich auf das Zureden aller herbei, die Interessen des Bundes weiterhin zu wahren und zu fördern.

Zur Partei bin ich damals, was nahe gelegen gewesen wäre, nicht gegangen und habe trotz mancher Aufforderung standgehalten. Es gab nichts, was mich zum Nationalsozialismus gezogen hätte. Ich habe politisch immer als Deutscher Demokrat empfunden und auch noch im Jahre 1933 demokratisch gewählt. Das tat gut bis in das Jahr 1938. Jetzt trat Wohlgemut[h], in Verbindung mit Hedler, Lohr [NSDAP-Kreisleiter Erich Hedler, HK], energischer an mich heran. Sie betonten vor allem, dass es unmöglich sei, mit mir weiter zusammenzuarbeiten, wenn ich nicht endlich beitreten wolle. Ich lehnte auch jetzt ab, wurde aber von meinen Anhängern bestimmt, im Interesse des Bundes nachzugeben. Und wenn ich das jetzt tat, dann allein aus der Besorgnis heraus, dass ich meinem Bund nur schaden würde, wenn ich das Opfer nicht auf mich nähme.“[11]

Zeugen könne er leider keine benennen, da er über den Verbleib der (noch lebenden) Vorstandsmitglieder nicht genau informiert sei. An Parteiveranstaltungen habe er (bis auf einmal gezwungenermaßen) nicht teilgenommen. Für ihn spräche zudem, dass mit ihm bis „in den April 1934 hinein“ eine „Volljüdin“ als Assistentin gearbeitet habe; die russische Ärztin sei schließlich aus Rücksicht auf ihn – der „schwerste Anfechtungen“ habe erleiden müssen – freiwillig gegangen (in einem späteren, undatierten Schreiben im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens gab er an, die Ärztin habe „bis in den April 1935, also noch über zwei Jahre im Dritten Reich bei mir gearbeitet“). Seine Ausführungen schloss er mit den folgenden Worten:

„Auf Grund des Vorgetragenen bitte ich zu der Überzeugung zu kommen, dass ich nur der Not gehorchend und nicht dem eigenen Triebe folgend Pg. geworden bin und von mir den Makel zu nehmen, ein Nationalsozialist auch im Herzen gewesen zu sein.“

Doch der öffentliche Kläger tat sich damit schwer. Im „Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946“ hatte Hans Hönlein angegeben, Mitglied der NSDAP gewesen zu sein („von 1938 bis Ende“), sonst aber in keiner „Naziorganisation gemäß Anhang zum Gesetz“.[12] Bei den standardisierten Ermittlungen kam jedoch heraus, dass er in den oben genannten NS-Organisationen Mitglied war, die dazu zählten (NSV, NS-Altherrenbund, NS-Ärztebund, VDA). Auch die oben zitierte Rede auf dem Spessart-Bundesfests in Lohr 1934 wurde ihm zur Last gelegt sowie eine Begebenheit beim Einmarsch der Amerikaner in Sackenbach: Hans Hönlein habe sich als Leiter der Heilstätte geweigert – trotz Drängen einiger der dort anwesenden Personen – die Rotkreuz-Fahne oder eine weiße Fahne zu hissen und damit zahlreiche Menschen unnötig in Gefahr gebracht. Bei der Befragung von Zeuginnen gaben davon zwei zu Protokoll, Hans Hönlein habe sie als „undeutsch“ beschimpft („keine deutsche Frau“), als sie die Amerikaner willkommen hießen oder auch nur ein amerikanisches Fahrzeug auf dem Hof mit Interesse betrachteten; man müsste vor ihnen ausspucken. In seiner Gegenwart habe er sich zudem verbeten davon zu sprechen, Deutschland könnte den Krieg verlieren.

In der Klageschrift forderte der öffentliche Kläger die Einstufung von Hans Hönlein in die Gruppe 3 der Minderbelasteten und forderte eine Zahlung von 20 % seines Vermögens als Sühne, mit folgender Begründung:

„Der jetzt 71 Jahre alte Chefarzt des Maria-Theresienheims hat zwar lediglich der Partei seit 1938 angehört und ist in ihr in keiner Weise aktiv hervorgetreten, hat aber bei der Einnahme Lohrs in nicht misszuverstehender Form zu erkennen gegeben, dass er auf Grund nazistischer Einstellung bereit war, bedenkenlos das Leben Hunderter zu opfern, die ihm anvertraut waren. Am Osterdienstag wurde das vollbelegte Maria-Theresien-Heim, in dem auch die Ausgebombten Sackenbachs Zuflucht gesucht hatten, mit Artilleriefeuer und Fliegerbordwaffenbeschuss belegt, weil Dr. Hönlein absichtlich weder die Rote-Kreuz-Fahne noch die weiße Fahne gehisst hatte, obwohl er dazu von denen, die dort Zuflucht gesucht hatten, mehrfach aufgefordert worden war. Als nach der Übergabe des Maria-Theresien-Heims die Zeugin Roth ihrer Befriedigung Ausdruck gab, dass die Amerikaner da wären, warf ihr Dr. Hönlein noch vor, dass sie keine deutsche Frau sei, und man müsse vor ihr ausspucken.“

Nach der Verlesung der Klageschrift in der öffentlichen Sitzung der Spruchkammer am 27. August 1946 machte Hans Hönlein von der Gelegenheit gebrauch, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Er sei beim Lesen der Klageschrift (diese war ihm zuvor zugestellt worden) „zutiefst erschüttert“ gewesen. Vom Hissen einer Flagge habe er Abstand genommen, weil er dachte, ein entsprechendes Hissen könnte von den Amerikanern als Tarnung einer Militäreinrichtung missverstanden werden. Das beauftragte Bemalen der Anstalt mit einem roten Kreuz habe nicht durchgeführt werden können, „da keine Farben vorhanden waren, sodass nur ein Tarnanstrich angebracht werden konnte“. Abschließend äußerte er sich zum letztgenannten Vorwurf (laut Protokoll) wie folgt:

„Als ich mit eigenen Augen sehen musste, wie Frau Roth aus Sackenbach dem ersten Amerikaner die Hände drückte, ihn streichelte und sagte: ‚Gott sei Dank, dass die Amerikaner hier sind‘ sah ich mich als Deutscher Mann gezwungen, ihr zu sagen, dass dies einer Deutschen Frau unwürdig sei, und man vor ihr ausspucken müsste. Und dieser Meinung bin ich heute noch.“

Hans Hönleins Rechtsbeistand, Justizrat Miller aus Lohr, beantragte „eine geringere Einstufung“ als die vom öffentlichen Kläger geforderte „Einreihung in die Gruppe 3 der Minderbelasteten mit einer Sühne von 20.000, – RM“. Die Spruchkammer reihte Hans Höhnlein in die Gruppe 4 der Mitläufer ein und legte als Sühne 2.000, – RM fest. Für den Nachweis einer nazistischen Gesinnung des Sanitätsrats kämen weder die Festrede noch das Nichthissen der Flagge und die Mitgliedschaften in weiteren NS-Organisationen neben der NSDAP in Betracht, so das Gericht. „Die Festrede ist nach den begleiteten Umständen zu würdigen“, hieß es etwa in der ausführlichen Begründung. Und weiter:

„Sie wurde aus dem Augenblick geboren und kann recht wohl nur als erklärliche, wenn auch nicht verzeihliche Konzession an Zeit und Zuhörerschaft gewürdigt werden. Jedenfalls war dies nicht der geeignete Anlass und Ort für Dr. Hönlein eine persönliche Feststellung über seine politische Gesinnung zu treffen, zumal im Hinblick darauf, dass er erst […] im Jahre 1938 unter dem Druck der Verhältnisse PG. wurde, um ein größeres Übel, nämlich die Auflösung des Spessartbundes zu verhüten. Hier wie dort war das Bessere der Feind des Guten. Der Charakter einer Festrede auf einem Festkommerse lässt es nicht zu, den Inhalt der Rede als dokumentarischen Nachweis der politischen und nazistischen Gesinnung zu beurteilen.“

Die Kammer bedauerte allerdings, „dass angesichts der der günstigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Betroffenen eine höhere Sühne wie 2.000, – RM nicht zulässig war“.

Da der öffentliche Kläger Einspruch einlegte, wurde das Urteil zunächst nicht rechtskräftig; das Verfahren verzögerte sich erheblich. Auch der Rechtsbeistand von Hans Hönlein hatte in dessen Namen im Sommer 1947 Berufung gegen das Urteil eingelegt, in der Hoffnung, sein Mandant falle unter die sogenannte „Weihnachtsamnestie“. Im August 1948 zog der Berufungshauptkläger der Berufungskammer für den Regierungsbezirk Unterfranken in Würzburg schließlich die Berufung des Öffentlichen Klägers zurück, da es aussichtslos erschien, eine Einreihung in die Gruppe 3 zu erwirken. Noch blieb die Akte wegen wechselnder Zuständigkeiten ein weiteres halbes Jahr liegen; im Februar 1949 schließlich wurde Hans Hönlein aufgefordert, aufgrund des nun rechtskräftigen Spruchs die Geldsühne von 2.000,- RM, umgerechnet auf 200,- DM (plus 160,50 DM „Kosten des Verfahrens“), zu begleichen.

 

Quellen:

  • BArch, R 9361-VIII KARTEI / 11581213 [Zentralkartei der NSDAP]
  • BArch, R 9361-IX KARTEI / 1612135 [Gaukartei der NSDAP]
  • StAWÜ, Spruchkammer Lohr 629
  • Archiv des Spessartbundes [ausgewertet von Desiree Lang]
  • SSAA, ZAS 01_8186
  • Spessart. Illustrierte Monatsschrift für Spessart, Odenwald und Rhön, Nr. 7 (Juli 1934).

Literatur:

  • Lang, Desiree: Die Gleichschaltung des Spessartbundes von 1933 bis 1939. [https://spessartbund.de/die-gleichschaltung-des-spessartbundes-von-1933-bis-1939], basierend auf Bachelorarbeit, Mannheim 2010.
  • Krebs, Michael: Der Spessartbund nach Ausbruch des Krieges 1939-45. Seminararbeit an der Universität Würzburg, Lehrstuhl für fränkische Landesgeschichte, 2012.
  • Magath, Anika: Der Spessartbund von 1946 bis 1969. [https://spessartbund.de/der-spessartbund-von-1946-bis-1969]
  • Pollnick, Carsten: Aschaffenburger Straßennamen. Aschaffenburg 1990.
  • Schott, Josef: Dr. Hans Hönlein. In: Aschaffenburger Jahrbuch 3 (1956), S. 424 – 428.

 

  • [1] Meldebogen Entnazifizierungsverfahren, Eigenangabe, StAWÜ, Spruchkammer Lohr 629.
  • [2] Fragebogen Military Government of Germany, StAWÜ, Spruchkammer Lohr 629. Vgl. im gleichen Bestand die Zahlen vom Finanzamt Lohr, die ihm in der Zeit von 1941 bis 1944 ein zu versteuerndes Einkommen zwischen 28.106, – und 31.569, – RM bescheinigen.
  • [3] BArch, Zentral- und Gaukartei der NSDAP (siehe Quellen).
  • [4] Verhandlungsniederschrift zur Vorstandssitzung am 25. April 1933, zitiert nach Desiree Lang: Die Gleichschaltung des Spessartbundes von 1933 bis 1939. Auf den Ergebnissen von Desiree Lang basieren die folgenden Ausführungen.
  • [5] Hönlein, Hans: „Bundesfreunde! (Mai)”. In: Der Spessart 5 (1933), S. 1; ähnliche Stellungnahme von Hans Hönlein auch in der Juni-Ausgabe des „Spessarts“.
  • [6] Dazu ausführlich Desiree Lang.
  • [7] Desiree Lang.
  • [8] Archiv des Spessartbundes, Ordner Satzungen: Spessartbund, Satzung 1936, zitiert nach Desiree Lang.
  • [9] Siehe dazu den Beitrag von Michael Krebs.
  • [10] Spessart. Illustrierte Monatsschrift für Spessart, Odenwald und Rhön, Nr. 7 (Juli 1934), S. 1 f.
  • [11] 17.10.1945, StAWÜ, Spruchkammer Lohr 629.
  • [12] Meldebogen, StAWÜ, Spruchkammer Lohr 629. Auch die weiteren Ausführungen auf Basis von Dokumenten aus der genannten Entnazifizierungsakte.

Kommentare

  1. Das Corps Bavaria Würzburg war keine „Studentenburschenschaft“ (den Begriff gibt es überhaupt nicht). Hönlein war einfach nur „Mitglied des Corps Bavaria Würzburg“.

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