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Dossier Aloys Lautenschläger

Lautenschlägerstraße (Innenstadt), benannt 1949 nach

Aloys Maria Lautenschläger (1870 – 1943)

Arzt und Kunstsammler

  • * 29. März 1870 in Aschaffenburg
  • Besuch des Gymnasiums in Aschaffenburg
  • Studium an der Aschaffenburger Forsthochschule
  • 1891 – 1896 Studium der Medizin in Würzburg, Freiburg im Breisgau, Berlin und Greifswald
  • 1896 Promotion (Medizin) in Greifswald „Ueber einen Fall von perforiertem Ileumcarcinom“
  • 1896 – 1898/99 Assistenzarzt in Greifswald, Landarzt im oberschlesischen Grenzland, Spezialisierung in Ohrenheilkunde und erster Assistent von Otto Körner an der Rostocker Universitäts-Ohrenklinik
  • 1899 Heirat mit Maria [Johanna Walburga] Dittmann in Miltenberg; Niederlassung in Berlin als Hals-, Nasen-, Ohrenarzt: Praxis und Wohnung am Westrand von Berlin, später „Praxiswohnung“ am Kurfürstendamm (Schlüterstraße 44)
  • Ca. 1918 Erwerb einer repräsentativen Villa in Grunewald; neben der erfolgreichen Praxis umfangreiche Sammlung von Kunst und Kunstgewerbe
  • 1929 – 1939 zahlreiche medizinische Abhandlungen in der Zeitschrift „Der Chirurg“
  • 1933 – 1943 (bis zu seinem Tod) Mitglied der NSDAP [Mitglieds-Nr. 3.017.837]
  • 1936 Publikation „Operative Eingriffe im Gebiete des Ohres, der Nase, des Halses. Nach eigenen Erfahrungen“
  • † 27. März 1943 in Berlin

 

Der in Aschaffenburg geborene Mediziner Aloys Maria Lautenschläger galt als einer der führenden Vertreter der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Seit 1899 betrieb er eine Praxis in Berlin, wo er zu den renommiertesten Spezialisten seiner Zunft zählte. Zu seinen Patienten zählten Prominente aus Politik, Wirtschaft und Kultur. In seinen Privaträumen fanden Kammerkonzerte statt. Herausragend war zudem seine Sammlung an Kunst und Kunstgewerbe. Teile der Sammlung vermachte er seiner Heimatstadt; sie sind im Schlossmuseum Aschaffenburg erhalten und bildeten den Grundstock der 1972 neu konzipierten Dauerausstellung.[1]

Wirken in der NS-Zeit

Der Arzt und Kunstsammler Aloys Lautenschläger vollendete im März 1933 sein 63. Lebensjahr. Zu dieser Zeit leitete er seit über drei Jahrzehnten in seiner Wahlheimat Berlin eine renommierte Praxis als Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, die er auch während der NS-Zeit weiterführte („Praxiswohnung“ Schlüterstraße 44). In medizinischen Fachzeitschriften veröffentlichte er Beiträge zu seinem Spezialgebiet, darunter etwa ein Dutzend in der Zeitschrift „Der Chirurg“ (1929 – 1939). 1936 erschien die Publikation „Operative Eingriffe im Gebiete des Ohres, der Nase, des Halses. Nach eigenen Erfahrungen“. Bereits 1934 hatte er eine Zusammenfassung seiner praktischen Erfahrungen in der Chirurgischen Operationslehre von Ludwig Kirschner veröffentlicht (siehe Literatur).

Aloys Lautenschläger war bis zu seinem Tod im März 1943 Mitglied der NSDAP [Mitglieds-Nr. 3.017.837, Eintrittsdatum (laut Stempel auf der Gaukartei-Karte) 1. Mai 1933]. Auf Mitgliedschaften in weiteren NS-Organisationen gibt es bislang keine Hinweise. In den eingesehenen Beständen im Bundesarchiv hat Aloys Lautenschläger – über die NSDAP-Mitgliedschaft hinaus – keine aufgefundenen Spuren hinterlassen. Aufgrund seines Todes im Jahr 1943 gab es kein Entnazifizierungsverfahren und auch keine Meldebögen aus der Nachkriegszeit, die Aufschluss darüber hätten geben können.

In der (spärlichen) Literatur wird kaum auf sein Wirken in der NS-Zeit eingegangen. In dem Nachruf von Carl Koch im „Aschaffenburger Jahrbuch“ heißt es:

„Er lebte mit dem Altwerden immer konzentrierter in seinem Bereich, von Berlin entfernte er sich nicht mehr. In der hereinbrechenden Kriegsnot wollte er mehr als je Gutes wirken, lehnte Ahnungen ab und wird doch die kommende Katastrophe gespürt haben. Wer ihn kannte, merkte, dass er belastet war. Eines Tages tat er einen Sturz in der Stadt, versah aber noch weiter die Praxis, bis ihn ein quälendes Leiden auf das Krankenbett zwang. Nach drei Wochen schon erlöste ihn der Tod am 27. März 1943.“[2]

Kurz vor seinem Tod hatte Aloys Lautenschläger sein Erbe geregelt; das Testament wurde vier Tage vor seinem Ableben vollzogen. Neben der Sicherstellung seiner Gattin und weiterer Familienangehöriger[3] sowie der Stiftung von Spenden für karitative Zwecke umfasste sein Erbe sechs Legate, die insbesondere wertvolle Kunstgegenstände wie Bilder, Tapisserien, Musikinstrumente, auch Bücher und „Erzeugnisse des Kunsthandwerks“ aus seiner Sammlung umfassten. Das umfangreichste Legat vermachte er seiner Heimatstadt Aschaffenburg; die anderen fünf jeweils öffentlichen Institutionen in Berlin (Schlossmuseum, Märkisches Museum, Münzkabinett, Hochschule für Musik, Staats- und Universitätsbibliothek). Während die vermachten Kunstschätze in Berlin zu großen Teilen während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden – wie auch die Praxiswohnung und die Villa in Grunewald samt Inventar–, gelangte das Aschaffenburg zugesprochene wertvolle und umfangreiche Legat noch rechtzeitig aus der Reichshauptstadt.[4] Der Transport umfasste allein 40 Gemälde, über 80 gerahmte Grafiken, 31 Gobelins, 891 Fayencen und hunderte weitere Kunstgegenstände.[5] Für die Benennung der Lautenschlägerstraße dürfte das Legat eine wichtige Rolle gespielt haben.[6]

Quellen:

  • BArch, R 9361-IX KARTEI / 25070271 [Gaukartei]
  • SSAA, SBZ II, Nr. 905
  • SSAA, ZAS 01, Nr. 8957

Literatur:

  • Lautenschläger, Aloys: Die Eingriffe am Ohr und an der Nase, im Rachen und Kehlkopf, in der Luftröhre und in den Bronchien. In: Chirurgische Operationslehre von Ludwig Kirschner, Bd. III, Teil 2. Berlin 1934, S. 1–224.
  • Lautenschläger, Alois: Operative Eingriffe im Gebiete des Ohres, der Nase, des Halses. Nach eigenen Erfahrungen. Berlin 1936.
  • Koch, Carl: Dr. Aloys Maria Lautenschläger [Nachruf]. In: Aschaffenburger Jahrbuch 1 (1945/51), S. 255–259.
  • Welsch, Renate: Gustav Stadelmann – ein Sammlerleben. In: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv 2/1984, S. 29 – 34, hier S. 32.

 

  • [1] Siehe dazu auch „Die verschlungenen Wege der Kunst“ in Main Echo vom 12.05.2017.
  • [2] Koch, Carl: Dr. Aloys Maria Lautenschläger, S. 258.
  • [3] Auch etwa eine Stiefschwester, die in Aschaffenburg lebte, war mit einer „Dotation“ bedacht, siehe „Käthchen Lautenschläger wir 85“, Main Echo vom 19.04.1958, SSAA, ZAS 01, Nr. 8957.
  • [4] Zur Rolle von Gustav Stadelmann, einem Freund Aloys Lautenschlägers, siehe Welsch, S. 32.
  • [5] Passus im Testament und Übergabeverzeichnis zitiert bei Koch, S. 259 (Fußnote 5).
  • [6] In den tradierten Dokumenten zur Benennung einer neuen Straße 1949 ist keine Begründung vorhanden, SSAA, SBZ II, Nr. 905.

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